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Stefan Aust / Dirk Laabs

Heimatschutz. Der Staat und die Mordserie des NSU

München: Pantheon 2014; 864 S.; geb., 22,99 €; ISBN 978-3-570-55202-5
Stefan Aust und Dirk Laabs haben einen der bisher wichtigsten Beiträge zur Diskussion und Aufklärung der neonazistischen Anschläge des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU), seiner Vor‑ und Nachgeschichte wie auch des Umfeldes geschrieben. Auch wenn einiges von den referierten Fakten nicht neu ist, so sind sie doch akribisch zusammengetragen und dokumentiert, was sich auch am Serviceteil des Buches in der Zusammenstellung zentraler Akteure auf rechtsextremer und staatlicher Ebene zeigt. Überdies haben Aust und Laabs umfangreich recherchiert auf der Suche nach Antworten auf die Frage, warum der NSU so lange unentdeckt rauben und morden konnte – was war übersehen worden, was war unkoordiniert, wo herrschte Ämterkonkurrenz in einem mit Blick auf Kompetenzen desorganisierten und handlungsunfähigen Föderalismus, wo kann Vorsatz und Vertuschung ausgemacht werden, welche Rolle spielen die Verfassungsschutzämter, auch mit Blick auf ihre Konkurrenzen zu Polizeiermittlungen, wo verhinderten rassistische Stereotype den klaren Blick auf die Mordmotive, welche Rolle spielten die unzähligen V‑Leute in der rechtsextremen Szene, wie konnte der NSU so lange und effektiv im Untergrund leben und agieren? Auch wenn Aust und Laabs an manchen Schlüsselstellen nur andeuten und vermuten können – etwa was die Verstrickung einzelner Geheimdienstmitarbeiter in die rechten Terrorstrukturen angeht – erhellen sie viel Dunkel, zeigen damit aber auch, dass die Öffentlichkeit politisch wie juristisch noch weit von einer tatsächlichen Aufklärung entfernt ist. Wesentlich an der Argumentation und Belegführung von Aust und Laabs ist, dass sie dem populären Argument, nach dem die Verfassungsschutzbehörden Entwicklungen am rechten Rand weniger aufmerksam beobachten würden (und deshalb vom NSU so wenig gewusst hätten), widersprechen. Sie betonen, dass es nicht Blindheit, sondern eine Mischung aus vorsätzlichem Übersehen, bewusstem Schutz der eigenen Informanten, aber auch Kontrollverlust mit Blick auf die V‑Leute in der rechtsextremen Szene und Ungenauigkeiten bei der Auswertung von vorliegendem Material war, was die Rolle des Verfassungsschutzes im Umgang mit dem NSU kennzeichnet.
Samuel Salzborn (SZ)
Prof. Dr., Professor für Grundlagen der Sozialwissenschaften, Institut für Politikwissenschaft, Georg-August-Universität Göttingen.
Rubrizierung: 2.37 Empfohlene Zitierweise: Samuel Salzborn, Rezension zu: Stefan Aust / Dirk Laabs: Heimatschutz. München: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37310-heimatschutz_45749, veröffentlicht am 17.07.2014. Buch-Nr.: 45749 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken