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Uffa Jensen

Politik und Recht

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2014 (Perspektiven deutsch-jüdischer Geschichte); 214 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-506-77786-7
Der Band ist Teil einer Reihe, die sich entlang verschiedener Themen den historischen Erfahrungen von im deutschen Sprachraum lebenden Juden seit dem 18. Jahrhundert annimmt. Er hat „die Politik‑ und Rechtsgeschichte der deutschen Juden zum Gegenstand. Welche politische Rolle spielten die deutschen Juden in den unterschiedlichen politischen Regimen auf deutschem Territorium seit dem späten 18. Jahrhundert? Wie wurden sie gleichberechtigter Teil des politischen Systems und wie versuchten sie, Politik zu gestalten?“ (11) Im Zuge der Beantwortung dieser Fragen geht Uffa Jensen zentralen Entwicklungslinien nach. Demnach gelingt es Menschen jüdischen Glaubens ab dem 19. Jahrhundert zunehmend, sich rechtlich innerhalb der deutschsprachigen Gesellschaften so zu emanzipieren, dass sie sich politisch zu organisieren vermochten und so auch politischen Einfluss geltend machen konnten. Dieser politisch‑partizipativen, emanzipatorischen Entwicklung bereitete der Nationalsozialismus ein jähes Ende. Die zunehmende Entrechtlichung der Juden in Europa mündete in der massenhaften industriellen Vernichtung in den Konzentrationslagern. Vor diesem historischen Hintergrund ist es – zumindest politisch – bloß selbstverständlich, dass das Existenzrecht des nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Staates Israel von Politiker_innen immer wieder zum Bestandteil der deutschen Staatsraison erhoben wird. Im alltäglichen Leben ist dieses unbedingte Bekenntnis zu Israel – und vielleicht noch wichtiger: die Einsicht in die aus dem Holocaust resultierende deutsche Schuld und Verantwortung – weitaus weniger selbstverständlich, wie die Darstellung der Zeit nach 1945 aufzeigt. Hinzu kommt eine immer wieder stattfindende politische Instrumentalisierung der Ausgrenzung und Anfeindung von Menschen jüdischen Glaubens im Kontext von Integrations‑ oder Ausländerpolitik. Dabei soll keineswegs verschwiegen werden, so Jensen, dass die „Geschichte der Juden als Minderheit“ auch als „Beispiel für eine lange Zeit gelungene soziale und kulturelle Integration“ (193) herangezogen werden kann. Daran weiter zu arbeiten ist Aufgabe der deutschen Gesellschaft insgesamt, gerade auch, wenn sich mit dem Phänomen des „islamistischen Antisemitismus“ (195) neue Probleme in der sich immer weiter pluralisierenden deutschen Gesellschaft auftun.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.312.352.3112.3122.3132.3142.315 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Uffa Jensen: Politik und Recht Paderborn u. a.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37208-politik-und-recht_45551, veröffentlicht am 19.06.2014. Buch-Nr.: 45551 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken