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Silke Betscher

Von großen Brüdern und falschen Freunden. Visuelle Kalte-Kriegs-Diskurse

Essen: Klartext 2013; 420 S.; brosch., 39,95 €; ISBN 978-3-8375-0736-2
Diss. Liverpool; Begutachtung: A. Plowman, F. Brunssen. – Der Kalte Krieg wurde auch auf deutschem Boden ausgetragen und war bereits vielfach Gegenstand von wissenschaftlichen Untersuchungen. „Bedenkt man jedoch, dass es bis zur klaren Ost‑ respektive Westorientierung der beiden deutschen Teilstaaten Prozesse waren, die zunächst einmal stattfinden mussten, dass ferner Freund‑ und Feindbilder der kulturellen Vermittlung bedürfen und dass sie rückgekoppelt sind an ganz reale Bilder, dann verwundert es […], dass bislang die ganz konkreten Bilder, die von den USA und der Sowjetunion in Deutschland nach 1945 veröffentlicht wurden, noch nicht untersucht worden sind“ (11). Silke Betscher schließt mit ihrer überaus interessanten Dissertation diese Forschungslücke und untersucht das weitgehend als unpolitisch geltende Medium der illustrierten Magazine. Mithilfe der visuellen Diskursanalyse nimmt sie speziell die in ihnen veröffentlichten Pressefotografien und Landkarten in den Blick, um bereits bestehende Traditionslinien sowie die durch die Bilder neu entstandenen mentalen Verknüpfungen aufzuspüren. Sie konzentriert sich dabei auf die Zeit zwischen 1945 und 1949 und nimmt insbesondere Raumvorstellungen, aber auch die Kategorie Geschlecht sowie die Repräsentation politischer Systeme in ihre Analyse auf. Ein besonders erstaunliches Ergebnis ist wohl, dass es nicht die von den Besatzungsmächten herausgegebenen Magazine „Heute“ und „IR“ (Illustrierte Rundschau) waren, die den politischen Diskurs visuell steuerten, sondern dass der „Spiegel“ mit seinen kartografischen Darstellungen der Sowjetunion ein expansionistisches Interesse unterstellte. Innerhalb der Sowjetischen Besatzungszone suggerierte die „Neue Berliner Illustrierte“ einen deutschen Kulturkonservatismus und schlug damit einen antiamerikanischen Kurs ein. Wie Betscher zeigt, wurde das Skript der bipolaren Ost‑West‑Teilung vor allem durch nordpolzentrierte oder die deutsche Teilung zeigende Landkarten geschrieben. Die abgedruckten Fotografien stellten territoriale Bindungen her, indem sie den innerhalb der Grenzen befindlichen Raum mit Leben und Narrativen füllten. Wenngleich Frauen stets eine wichtige Rolle auf den Abbildungen spielten, sind Betschers Ergebnisse nicht eindeutig in bereits vorhandene Forschungsergebnisse über vergeschlechtlichte Stereotype einzuordnen.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.3132.333 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Silke Betscher: Von großen Brüdern und falschen Freunden. Essen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37057-von-grossen-bruedern-und-falschen-freunden_45326, veröffentlicht am 08.05.2014. Buch-Nr.: 45326 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken