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Athena Athanasiou / Judith Butler

Die Macht der Enteigneten. Das Performative im Politischen. Aus dem Englischen von Thomas Atzert

Zürich/Berlin: diaphanes 2014 (transpositionen); 266 S.; brosch., 22,95 €; ISBN 978-3-03734-428-6
Nicht auf dem Einband ist er zu sehen, sondern erst ein wenig versteckt taucht der programmatische Untertitel dieses umfangreichen Diskussionsbandes auf: Das Performative des Politischen. Athena Athanasiou und Judith Butler geht es nämlich nicht nur um Enteignung im herkömmlichen, materiellen Wortsinn – Landnahme, Vertreibung, Gentrifizierung –, sondern auch um Ent‑Eignung als einen Prozess der Subjektivierung, bei dem Subjekte, Personen oder Psychen sich bestimmter Eigenschaften, Themen oder Narrative entledigen müssen, bevor sie sich selbst als kohärentes Individuum darstellen können. Diese Form der poststrukturalistischen Subjektkritik interessiert sich für die „Risse im Subjekt, seine konstituierende Differenz“ (10). Als Gegenmodell zum klassischen liberalen Politik‑ und Demokratiemodell, das vom fertigen Staatsbürger ausgeht, liegt hier also der Fokus auf Vorgängen, durch die Individuum und Bürger erst entstehen, auf der Art und Weise, wie sie als Rolle gespielt werden, und darauf, welche Bedingungen eigentlich für solche performative Politik erfüllt sein müssen. Die Autorinnen stellen Verbindungen her zwischen solchen biopolitischen und psychoanalytischen Aspekten der Ent‑Eignung sowie den alltäglichen und ökonomischen Erscheinungsformen der Enteignung, wie sie vom Marxismus diskutiert werden. Gleichzeitig wehren sie sich gegen den von ihnen wahrgenommenen Trend, in dem Ökonomiekritik gegen Kulturkritik in Stellung gebracht wird und in dem Letztere nur als Anhängsel der Ersteren erscheint. Solche Vereinnahmungsversuche werden von ihnen mit Marx selbst konfrontiert, der davon ausging, dass es der Kapitalismus selbst ist, der die Trennung von Sozialem und Ökonomischem überhaupt erst zementiert. Das Paradigma für Kritik kann daher nur lauten: „An der Ökonomie ist nichts rein ökonomisch.“ (63) Um vor diesem Hintergrund Demokratie, Bürgerrechte und kollektive Handlungsfähigkeit zu überdenken und entsprechend „neue politische Strategien zu entwickeln“ (28), ist es daher nötig, einen Ausbruchsversuch aus der „Ökonomie der Anerkennung“ (95) anzustrengen, in der Ent‑Eignung und Enteignung von Beginn an sozusagen zur Staatsraison der Subjektwerdung gehören. Die besten Chancen dafür sehen Athanasiou und Butler in dem Ansatz, das „politische Versprechen des Performativen“ (193) ernst zu nehmen und in Bruchstellen gängiger politischer Repräsentationen vorzudringen. Ob die Aktivisten der Gruppe „Palestinian Queers for BDS (israelkritische Kampagne für Boykott, Desinvestition und Sanktion) die ganze Komplexität eines politischen Bündnisses heute abbilden“ (252), sei dahingestellt – das philosophische Programm hinter solchen starken Sätzen wird in diesem Band aber sehr detailliert auf den Punkt gebracht.
Florian Geisler (FG)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe Universität Frankfurt am Main.
Rubrizierung: 5.422.22.23 Empfohlene Zitierweise: Florian Geisler, Rezension zu: Athena Athanasiou / Judith Butler: Die Macht der Enteigneten. Zürich/Berlin: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37032-die-macht-der-enteigneten_45279, veröffentlicht am 30.04.2014. Buch-Nr.: 45279 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken