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Sarah Bütikofer

Das Schweizer Parlament. Eine Institution auf dem Pfad der Moderne

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014 (Politik und Demokratie in den kleineren Ländern Europas 9); 159 S.; 29,- €; ISBN 978-3-8487-0817-8
Diss. Zürich; Begutachtung: S. Hug, S. Bailer. – Das Schweizer Parlament hat in den zurückliegenden Jahren große Änderungen erfahren. Das eingespielte Kräfteverhältnis (ein Stichwort ist die sogenannte Zauberformel) kam ins Wanken, das Milizparlament ist mittlerweile mehr Mythos als Realität und Forderungen nach einer institutionellen Reform können wohl nicht mehr lange durch die „neokonservative Wertedebatte der Schweiz“ (145) unterdrückt werden. Deshalb setzt sich Sarah Bütikofer mit dem „parlamentarischen Funktionieren unter neuen Bedingungen“ (56) auseinander. Mittels umfangreicher, teils selbst erhobener, teils neu interpretierter Datensätze untersucht sie drei Besonderheiten des schweizerischen Parlamentarismus: die Wandlung vom Miliz‑ zum Berufsparlament, die Funktionen der Fragestunden des Nationalrats sowie das Abstimmungsverhalten im Ständerat. Besonders jene zweite (kleine) Kammer ist bislang wenig untersucht. Bütikofer bringt mittels Parlamentarierbefragungen und arbeitsintensiver Auswertung der Videoaufnahmen zur Erfassung des Abstimmungsverhaltens in der 47. Legislaturperiode etwas Licht in dieses Dunkel – was letztlich wieder viele neue Fragen für künftige Untersuchungen aufwirft. Für die gegenwärtige Reformdebatte ist jener Teil der Untersuchung am interessantesten, der das Milizparlament mithilfe empirischer Daten endgültig als Mythos entlarvt. In der 47. Legislaturperiode konnten nur noch 13 Prozent der Nationalratsabgeordneten als Milizparlamentarier bezeichnet werden; der Ständerat besteht mittlerweile zur Gänze aus Berufspolitikern. Es gibt kein Gesetz, das ein Milizparlament vorschreibt, und eine parlamentarische Initiative der Sozialdemokraten forderte schon 2009 die Neuorganisation als Berufsparlament. Dennoch blockiert vor allem die SVP Reformen. Bütikofer erläutert die Konsequenzen im Hinblick auf die Repräsentationsfunktion des Parlaments. Ihre Analyse des beruflichen Hintergrunds der Abgeordneten zeigt, dass man sich ein Mandat in vielerlei Hinsicht leisten können muss, dass „Juristen, Anwälte und Notare mit eigener Kanzlei“ (74) aufgrund ihres finanziellen Rückhalts bei zeitlicher Flexibilität überproportional, „Arbeiter und Angestellte auf unteren Stufen gar nicht mehr im Parlament vertreten“ (75) sind. Das Festhalten am Milizsystem führt dazu, dass mittlerweile ein Großteil der Schweizer vom passiven Wahlrecht keinen Gebrauch mehr machen kann.
Tamara Ehs (TE)
Dr. phil., Politikwissenschaftlerin am IWK Wien und Lehrbeauftragte an der Universität Salzburg (http://homepage.univie.ac.at/tamara.ehs/)
Rubrizierung: 2.52.21 Empfohlene Zitierweise: Tamara Ehs, Rezension zu: Sarah Bütikofer: Das Schweizer Parlament. Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36991-das-schweizer-parlament_45461, veröffentlicht am 17.04.2014. Buch-Nr.: 45461 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken