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Marcel van der Linden / Karl Heinz Roth (Hrsg.), unter Mitarbeit von Max Henninger

Über Marx hinaus. Arbeitsgeschichte und Arbeitsbegriff in der Konfrontation mit den globalen Arbeitsverhältnissen des 21. Jahrhunderts

Berlin: Assoziation A 2011; 605 S.; 29,80 €; ISBN 978-3-935936-80-4
Dass Marx das Studium der Arbeiter(‑klasse) zugunsten der Analyse des Kapitals vernachlässigt hat, gehört seit langer Zeit zu den vielbeklagten Allgemeinplätzen der politischen Ökonomie. Erstaunlicherweise liegen dennoch bis heute nur wenige ernsthafte Ansätze vor, um dieses Manko zu beheben. Dies mag auch daran liegen, dass eine marxistisch orientierte Forschung, die sich in erster Linie an Marx' eigenen Vorarbeiten orientiert, mit einigen methodischen und inhaltlichen Schwierigkeiten konfrontiert ist, die auch die Herausgeber dieses Bandes zum Ausgangspunkt ihrer kritischen Bestandsaufnahme machen: Neben der Vernachlässigung der Rolle der Arbeit in der kapitalistischen Dynamik gehöre dazu nämlich auch ein wissenschaftlicher Objektivismus, der die subjektiven, widersprüchlichen Erfahrungen zugunsten des Studiums der „Naturgesetze“ des Kapitalismus ignoriere sowie darüber hinaus die Privilegierung eines bestimmten Segmentes der Weltarbeiterklasse (der idealtypische doppelt freie Lohnarbeiter). Schließlich sei Marx einem ausgeprägten methodologischen Nationalismus sowie einer stark eurozentrischen Sichtweise verfallen gewesen. Der Anspruch des Sammelbandes ist somit gleichermaßen überfällig wie hochgesteckt: Die Herausgeber möchten mit Blick auf den Arbeitsbegriff und die Arbeitsgeschichte „über Marx hinaus“ gehen – anders formuliert: Die Marx‘sche Kritik der politischen Ökonomie bildet zwar die Grundlage, an der keine ernst zu nehmende politische Ökonomie der Arbeit vorbeikommt; gleichsam geht es ihnen darum, die genannten Beschränkungen der marxistisch orientierten Arbeitsgeschichte zu überwinden und „eine Alternative zu entwickeln, die die großen Errungenschaften des Marx'schen Denken[s] in einer neuen theoretischen Perspektive aufhebt“ (23). Der hier angedeutete große Wurf gelingt am Ende freilich nicht (und war vielleicht auch nicht so beabsichtigt). Insbesondere der viel kritisierte Objektivismus wird nur in wenigen Beiträgen zugunsten einer erfahrungsorientierten Perspektive überwunden, die die widersprüchlichen und widerständigen Handlungen unterschiedlicher Teile der Arbeiterklasse zum Ausgangspunkt der Anpassungsstrategien des Kapitals macht. Dennoch ist mit den 20 Beiträgen eine recht überzeugende Bestandsaufnahme gelungen, die als erster Schritt hin zu einer kritischen politischen Ökonomie der Arbeit absolut notwendig ist.
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Rubrizierung: 2.22 | 2.68 | 5.43 | 2.61 | 2.27 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Marcel van der Linden / Karl Heinz Roth (Hrsg.), unter Mitarbeit von Max Henninger: Über Marx hinaus. Berlin: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36970-ueber-marx-hinaus_37556, veröffentlicht am 17.04.2014. Buch-Nr.: 37556 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken