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Tobias Goll / Daniel Keil / Thomas Telios (Hrsg.)

Critical Matter. Diskussionen eines neuen Materialismus

Münster: edition assemblage 2013 (kritik_praxis 2); 280 S.; 19,80 €; ISBN 978-3-942885-50-8
Mit der Sammlung und Diskussion unterschiedlicher Impulse des gerade aufkommenden New Materialism stehe „eine Umwälzung auf der Tiefenschicht der Geschichte der Metaphysik“ (17) in Aussicht, schreibt Andreas Folkers in einem der beiden Einleitungstexte. Die auf den Linguistic Turn folgende Verschiebung richte den Blick auf die komplexen Zusammenhänge von Objekten und Dingen, deren Materialität eine eigene Kraft zugesprochen werden sollte. Die Spannweite der Stichwortgeber solcher Analysen reicht von unterrepräsentierten Klassikern der Philosophie über Bruno Latour bis zu Vertretern der Naturwissenschaften und diese verfolgen das Ziel einer kritischen Neukonzeptualisierung des Verhältnisses zwischen den Menschen und ihrer belebten wie unbelebten Umwelt. Die Frage nach der Materialität bietet dabei unterschiedlichste Anknüpfungspunkte, wie der Band durch seine vielfältigen Beiträge vorzuführen vermag. Auf der theoretischen Ebene lässt sich so erneut Anschluss an Hegel suchen, um in einer „über das materialisierte Werk vermittelten Interaktion eine Gesellschaftstheorie [zu] gewinnen“ (62, Moritz Hagemann). So wie im Beitrag von Sascha Engel kann nach der materiellen Konstitution des Raumes gefragt oder dem widerständigen Potenzial des Körpers für feministische (Nina Lykkes) oder rassismustheoretische (Verena Namberger) Anliegen nachgespürt werden. Dass Materialität auch für die Repräsentation in Kunst und Medien, und damit für unser gesamtes Denken, eine zentrale Rolle spielt, arbeitet beispielsweise Hanjo Berressem heraus. Im letzten Teil, zu den Problemfeldern der Praxis, wird dann auf den Theorie‑Praxis‑Nexus reflektiert, der aus den neuen Herangehensweisen abgeleitet werden kann. Wie beabsichtigt bleibt man nach der Lektüre aber tendenziell im Unklaren darüber, was diese neuen Materialismen real Gesellschaftskritisches leisten können – außer dass sie „ein ganzes Universum an Kategorien und Disziplinen“ (8) neu einführen, die „vielleicht zu neuen Antworten auf alte Fragen [beitragen]“ (7). So drängt sich der Verdacht auf, dass das Insistieren auf dem Bewusstsein und dem Eigenleben der Objektwelt jenem Fetischismus gleichkommt, dem der ‚alte‘ Materialismus gerade zu entkommen versprach. Übrig bliebe dann nur ein weiterer Innovationszyklus im universitären Betrieb, für den der Eigenwert schon darin besteht, dass es etwas Neues ist.
Alexander Struwe (AST)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Rubrizierung: 5.42 | 5.2 | 2.36 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Alexander Struwe, Rezension zu: Tobias Goll / Daniel Keil / Thomas Telios (Hrsg.): Critical Matter. Münster: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36956-critical-matter_45063, veröffentlicht am 10.04.2014. Buch-Nr.: 45063 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken