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Detlef Wetzel

Mehr Gerechtigkeit wagen. Der Weg eines Gewerkschafters

Hamburg: Hoffmann und Campe 2012; 239 S.; geb., 19,99 €; ISBN 978-3-455-50263-3
Der Titel ist irreführend, lässt er doch eine Autobiografie des jetzigen ersten Vorsitzenden der IG Metall Detlef Wetzel erwarten. Ein solches Vorhaben verspricht nur bedingt spannend zu sein, denn Wetzel ist durch und durch ein Kind der alten Bundesrepublik. Er ist in soliden Verhältnissen groß geworden – mit den Chancen auf sozialen Aufstieg, die genutzt worden sind. Tatsächlich ist die alte Bundesrepublik auch die Referenz des Autors, wenn es darum geht, die heutige Gesellschaft zu bewerten. Doch das Buch ist weder eine Autobiografie noch eine sentimentale Sehnsucht nach vergangenen Zeiten. Vielmehr legt Wetzel dar, wie die IG Metall in seinem Verantwortungsbereich als Bevollmächtigter in Siegen, als Bezirksleiter in Nordrhein‑Westfalen und schließlich in seiner Zeit in der Vorstandsverwaltung wieder an Schlag‑ und Organisationskraft gewonnen hat – es waren die Gewerkschaften, „die sich verändern mussten, nicht die Umstände, um die Wende zu schaffen“ (139). Das „Bestehende, Bewährte und deshalb zu Verteidigende“ (33) genügte nämlich nicht mehr, um auf die veränderten und vor allem stark differenzierten Interessen der Arbeitnehmerschaft, auf die Taktiken der Unternehmen und nicht zuletzt auf das neue Verhältnis von Sozialpartnerschaft zur Politik adäquat zu reagieren. „Die Welt war komplizierter geworden, als wir es ihr zugestehen wollten“ (43), ist wohl der Schlüsselsatz des Gewerkschaftsverständnisses, das Wetzel Zug um Zug entwickelt. Die Antwort darauf bedeutet einerseits mehr beteiligungs‑ und damit auch konfliktbereite Gewerkschaftsarbeit in den Betrieben unter Mitarbeit der Beschäftigten, denen verstärkt Autonomie zugestanden wird. Andererseits ist damit aber auch eine wachsende Unabhängigkeit von der Sozialdemokratie verbunden. Obwohl Wetzel ein entschiedener Realist und innergewerkschaftlicher Reformer ist, fällt seine Bilanz der sozialdemokratischen Agenda‑Politik verheerend aus. Deshalb lobt er den damaligen Vorsitzenden Jürgen Peters ausdrücklich dafür, dass dieser „die in der Sache dringend notwendige Distanzierung der IG Metall von der SPD herbeigeführt“ (128) hat.
{SKL}
Rubrizierung: 2.331 Empfohlene Zitierweise: Stephan Klecha, Rezension zu: Detlef Wetzel: Mehr Gerechtigkeit wagen. Hamburg: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36810-mehr-gerechtigkeit-wagen_43221, veröffentlicht am 06.03.2014. Buch-Nr.: 43221 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken