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Lutz Haarmann

Teilung anerkannt, Einheit passé? Status-quo-oppositionelle Kräfte in der Bundesrepublik Deutschland vom Grundlagenvertrag bis zur Friedlichen Revolution. Mit Geleitworten von Rainer Eckert, Stephan Hilsberg, Detlef Kühn

Berlin: Duncker & Humblot 2013 (Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschlandforschung 104); 377 S.; 39,90 €; ISBN 978-3-428-14140-1
Diss. phil. Bonn; Begutachtung: T. Mayer, V. Kronenberg. – Der Parlamentarische Rat verankerte in der Präambel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland zwar ein Wiedervereinigungsgebot und den Auftrag, die deutsche Einheit herzustellen, bestätigte das Bundesverfassungsgericht 1973. Aber dennoch, so schreibt Rainer Eckert in seinem Geleitwort, sei für viele westdeutsche Politiker nach dem Mauerbau und verstärkt ab Anfang der 1970er‑Jahre mit dem deutsch‑deutschen Grundlagenvertrag 1972 die Einheit in weite Ferne gerückt. „Es ging jetzt um ‚Realpolitik‘, um Entspannung […] und um alltägliche Erleichterungen für das Miteinander der Menschen im gespaltenen Land“. Für viele Westdeutsche sei die DDR zum „‚normalen Ausland‘“ (6) geworden, was auch für die politische Klasse gegolten habe. Doch gab es auch politisch relevante Gruppen und Persönlichkeiten in der Bundesrepublik, die sich diesem Trend widersetzten? Lutz Haarmann macht in verschiedenen politischen Milieus solche Gruppen aus – beispielsweise den Deutschlandpolitischen Arbeitskreis der Christlich‑Demokratischen Arbeitnehmerschaft der CDU mit seinem Bundesvorsitzenden Ulf Fink, der 1987 gegründet wurde. In der SPD erhob sich ab 1969/70 mit dem Kurt‑Schumacher‑Kreis Widerspruch gegen die partei‑ und regierungsamtlich betriebene entspannungsorientierte Deutschlandpolitik. Ein scharfer Kritiker der liberalen Deutschlandpolitik in den 1980er‑Jahren war der FDP‑Politiker Detlef Kühn. Auch auf der linken und grün‑alternativen Seite gab es Wiedervereinigungsfreunde: Haarmann nennt die Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten‑Leninisten (KPD/ML). Grüne Anhänger der Wiedervereinigung trafen sich entweder in der Arbeitsgruppe Berlin‑ und Deutschlandpolitik der Alternativen Liste Berlin oder im Initiativkreis Linke Deutschland‑Diskussion. Darüber hielten die Gesellschaft für Deutschlandforschung und der Arbeitskreis ehemaliger DDR‑Akademiker die Fahne der deutschen Einheit hoch. All diese Gruppen und Personen seien vom Ministerium für Staatssicherheit beobachtet und „diffamiert bzw. in ihrer Arbeit beeinflusst“ worden, worin der Autor einen Beleg dafür sieht, dass die SED in ihnen „einen gewichtigen Gefährdungsmoment ihrer Alleinherrschaft“ (342) sah. Es sei eine große Leistung der dargestellten deutschlandpolitischen „Dissidenten“ (343) gewesen, so Haarmanns Resümee, dass sie gegen den Mainstream am Staatsziel der Wiedervereinigung festgehalten hätten und „ex post ihrer Zeit praktisch weit voraus“ (343) gewesen seien. Daher sollten sie als „Teil einer ‚Nationalbewegung deutsche Einheit‘“ (344) gelten.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.313 | 2.314 | 2.331 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Lutz Haarmann: Teilung anerkannt, Einheit passé? Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36737-teilung-anerkannt-einheit-pass_44789, veröffentlicht am 13.02.2014. Buch-Nr.: 44789 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken