"Ich weiß, ich bin kein Bequemer ..." Heinz Galinski – Mahner, Streiter, Stimme der Überlebenden. Hrsg. von Andreas Nachama
Mit dem Leben und Wirken Heinz Galinskis lassen sich wesentliche Teile der jüngeren deutschen Geschichte erzählen. Der Auschwitz‑Überlebende, der im Holocaust Eltern und erste Ehefrau verloren hatte, war 1949 Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Berlin geworden und bis zu seinem Tod 1992 geblieben, begründete den Zentralrat der Juden in Deutschland mit, saß ihm zeitweise vor und war vor allem immer ein Streiter für eine politische Kultur, die sich der Vergangenheit stellte und ihre Lehren zog. „Ich war und bin der Meinung“, zitiert Juliane Berndt ihn, „dass nach dem, was geschehen ist, eine jüdische Gemeinde sich nicht aus dem politischen Geschehen heraushalten kann“ (66). Die politische Einmischung war zugleich der Weg, wieder jüdisches Leben in Deutschland zu ermöglichen. In Galinskis Engagement spiegeln sich so Etappen der deutschen Vergangenheitsbewältigung wie das Bundesentschädigungsgesetz und der Kampf gegen die strafrechtliche Verjährung der NS‑Verbrechen, aber auch die deutsch‑israelische Annäherung, die deutsch‑deutschen Beziehungen – Galinski wollte über seine Kontakte zur DDR ein „‚jüdisches Tor durch die Mauer‘“ (231) schlagen – sowie die deutsche Einheit mit der mit ihr verbundenen Furcht vor dem Rechtsextremismus. In diesem Buch wird an diesen wichtigen Streiter für ein tolerantes und der Gleichstellung verpflichtetes Deutschland erinnert. Die „große“ Biografie über Heinz Galinski, die bisher nicht geschrieben worden ist, liegt damit allerdings nicht vor. Der Band hat eher den Charakter eines Lesebuchs, in den biografischen Kapiteln werden die Lebensstationen eher nur aneinandergereiht. Gewünscht hätte man sich eine „Erzählung“. Ergänzt werden die biografischen Schilderungen mit persönlichen Erinnerungen von Andreas Nachama sowie Interviews mit Klaus Schütz, Eberhard Diepgen und Wolfgang Schäuble. Eine Zeittafel fehlt. Abgedruckt ist hingegen eine Sammlung von Reden und Aufsätzen Galinskis, die beispielhaft für sein Denken und sein Engagement stehen.