Eines der größten heutigen Probleme des kritischen Rationalismus nach Karl Popper ist, dass viele der prominenten Ideen dieser Philosophie schon zu fest in der Gesellschaft verankert sind. Sie gehören zum „common sense“ (14). Zu groß ist dadurch die Gefahr, die Ideen nicht mehr zu hinterfragen oder zu prüfen, wie es die kritische Methodik dieser Schule doch eigentlich verlangen würde. Reinhard Neck und Harald Stelzer versuchen dem entgegenzuwirken. Das Buch ist eine Sammlung von überarbeiteten Referaten eines internationalen und interdisziplinären Symposiums der Universitäten Graz und Klagenfurt aus dem Jahr 2008, bei dem die Grundpfeiler des kritischen Rationalismus auf ihre Aktualität und Anwendbarkeit in einer gewandelten modernen Gesellschaft geprüft wurden. Einer kurzen Einführung in den kritischen Rationalismus folgen zu diesem Zweck zwölf Beiträge, in denen Themen der Wissenschafts‑ und Erkenntnistheorie, der Sozialphilosophie, aber auch der Ethik, zu der sich Karl Popper selbst nie explizit geäußert hatte, diskutiert werden. Poppers Werk stellt dabei immer einen wichtigen Bezugspunkt dar, wird aber meist mit anderen Theoretikern zusammen diskutiert, um die Ursprünge und das Fortwirken des Popper‘schen Denkens aufzuzeigen – so beispielsweise mit Karl Jaspers, Victor Kraft, Willard Quine oder auch Hans Albert, der darüber hinaus auch selbst ein Kapitel zum Buch beigetragen hat. Die Aktualität der Philosophie Poppers wird im Zuge dessen mehrfach herausgearbeitet: politisch durch die Warnung vor einer liberalen Demokratie, die sich durch die Ökonomie verpflichten lässt, oder moralisch durch die aufgezeigte Bedrohung der Werte der Aufklärung durch das Gefühl der Selbstverständlichkeit ebendieser Werte – um nur zwei Aspekte exemplarisch zu nennen. Das Buch profitiert von der Vielfalt der angesprochenen Themenbereiche und der Verständlichkeit der Texte. Umfassendes Vorwissen über den kritischen Rationalismus ist für das Verständnis nicht unbedingt nötig und die Beiträge bieten meist gute Anregungen für eine weitere Beschäftigung mit dem jeweiligen Inhalt.