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Anna-Bettina Kaiser (Hrsg.)

Der Parteienstaat. Zum Staatsverständnis von Gerhard Leibholz

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2013 (Staatsverhältnisse 58); 259 S.; 29,- €; ISBN 978-3-8329-7105-2
Zweifelsohne war Gerhard Leibholz einer der bedeutendsten Staatsrechtslehrer des 20. Jahrhunderts. Mit seinen Abhandlungen zur Repräsentation, zum Gleichheitsgebot, zum Parteienrecht und zum Status des Bundesverfassungsgerichts hat er Maßstäbe gesetzt, die er als langjähriger Richter am höchsten deutschen Gericht in Urteile einfließen ließ. Dennoch gilt er heute als überholt, nicht zuletzt weil sein Denken „im Hinblick auf Demokratie […von] ambivalenter Natur“ (16) war. Dazu haben die ideengeschichtlichen Einflüsse in sein Werk beigetragen. Er synthetisierte die rechtspositivistischen Ansätze von Carl Schmitt und Rudolf Smend, mischte ein wenig von Heinrich Triepel bei und passte deren idealisierte Sichtweise des Parlamentarismus an die Bedingungen der Weimarer Republik beziehungsweise an die junge Bundesrepublik an. Er interessierte sich für den italienischen Faschismus, möglicherweise sympathisierte er mit ihm. Er stand daher Hitlers Aufstieg zunächst offen gegenüber, erlag damit aber einer „verhängnisvollen Täuschung“ (28). Emeritiert wegen seiner jüdischen Wurzeln und exiliert nach Oxford entwickelte Leibholz sein Denken weiter, das noch eine naturrechtliche Komponente erhielt. Dadurch wuchs die Ambivalenz seiner Ansichten eher noch weiter an, denn Interessenpluralismus galt aus der gesamten so eingenommenen Perspektive als „Gefahr für die repräsentativ‑parlamentarische Demokratie“ (68). Doch man kann in seinen Schriften die nuancierten Abgrenzungen zu seinen geistesgeschichtlichen Vorbildern herausarbeiten. Und so regt Leibholz zur Kontroverse an, die auch in dem von der Berliner Staatsrechtlerin Anna‑Bettina Kaiser herausgegebenen Sammelband nicht ausgespart bleibt. Die unterschiedlichen Facetten des staatsrechtlichen Denkens Leibholz‘ und die Gedankenwelt der Weimarer Republik werden so herausgearbeitet, wie man sich das bei einem solchen Sammelband wünscht. Der einzige Wermutstropfen ist allenfalls, dass die Herausgeberin fachimmanent geblieben ist und leider keinen Nichtjuristen zu Wort kommen ließ.
Stephan Klecha (SKL)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Institut für Demokratieforschung der Universität Göttingen.
Rubrizierung: 5.46 | 5.41 | 2.21 | 2.22 | 2.25 | 2.313 | 2.323 | 2.61 | 2.32 Empfohlene Zitierweise: Stephan Klecha, Rezension zu: Anna-Bettina Kaiser (Hrsg.): Der Parteienstaat. Baden-Baden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36680-der-parteienstaat_44999, veröffentlicht am 30.01.2014. Buch-Nr.: 44999 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken