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Peter Brandt

Mit anderen Augen. Versuch über den Politiker und Privatmann Willy Brandt

Bonn: Verlag J. H. W. Dietz Nachfolger 2013; 279 S.; Ln., 24,90 €; ISBN 978-3-8012-0441-9
Das Buch des Historikers Peter Brandt unterscheidet sich von den zahlreichen Publikationen rund um den 100. Geburtstag des früheren großen SPD‑Kanzlers schon dadurch, dass der Autor – als ältester Sohn Willy Brandts – zugleich Zeitzeuge, Familienmitglied und wissenschaftlicher Beobachter ist. Diese Herausforderung thematisiert Peter Brandt ganz offen im Vorwort, spricht von einer „Spannung“ zweier in ihm „nebeneinander und wechselseitig existierenden Perspektiven“ (7). Auch erhebe er nicht den Anspruch, „endlich die wahren Geschichten über Willy Brandt zu erzählen und die richtigen Deutungen zu liefern“ (7), weder über den Politiker noch über den Privatmann. So legt er – wie der programmatische Untertitel schon umreißt – keine klassische, im strengeren Sinne wissenschaftliche Biografie vor, zumal er auf einen Anmerkungs‑ oder Fußnotenapparat sowie auf Zeittafeln, Register oder Vergleichbares verzichtet. Auch ist die Herangehensweise keine chronologische; im ersten Kapitel geht es um Krankheit und Tod Willy Brandts, in den folgenden um Großthemen wie „Familie und Freunde“, „Sozialdemokratie und demokratischer Sozialismus“ oder „Volk und Nation“, bevor sich am Ende eine Betrachtung über „Mensch und Werk“ anfügt. Darin schildert Peter Brandt verschiedenste Eigenheiten des Kanzlers – einschließlich Geschichten rund um dessen Person – aus der Sicht eines Zeitzeugen aus dem engsten persönlichen Umfeld, sei es mit Blick auf die vermeintlichen Depressionen Willy Brandts, den legendären Kniefall oder das Verhältnis des Kanzlers zu Frauen. Der erwähnte, vom Autor offen eingeräumte Zwiespalt wird auch beim Lesen schnell deutlich, kann bisweilen gar etwas irritierend wirken: Mal ist die Rede von „Willy Brandt“, mal heißt es wenige Zeilen später „mein Vater“, andernorts schlicht „Willy“. Nicht anders verhält es sich bei der Darstellung der Kanzlergattin und Mutter Peter Brandts, Rut Brandt. Zwar findet der Autor in den umfangreichen Themenkapiteln immer auch Platz für persönliche Eindrücke und Anekdoten – etwa über norwegische Tanten oder Strafhausaufgaben –, doch er verirrt sich nicht ins Nähkästchengeplauder: Der Historiker bleibt dominierend. Was Brandt damit liefert, ist vor allem für interessierte und informierte Laien von Interesse. Auch wenn der Gewinn der Lektüre nicht so sehr in gänzlich neuen Erkenntnissen liegt: Das Buch hilft in der Tat dabei, bereits Bekanntes „mit anderen Augen“ zu betrachten.
Frank Kaltofen (FK)
Politikwissenschaftler, Promotionsstudent, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.3 | 2.313 | 2.331 Empfohlene Zitierweise: Frank Kaltofen, Rezension zu: Peter Brandt: Mit anderen Augen. Bonn: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36674-mit-anderen-augen_44829, veröffentlicht am 30.01.2014. Buch-Nr.: 44829 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken