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Klaus Scherer

Wahnsinn Amerika. Innenansichten einer Weltmacht

München/Zürich: Piper 2012; 287 S.; 3. Aufl.; geb., 18,99 €; ISBN 978-3-492-05531-4
Nach dem Wahlkampf ist vor dem Wahlkampf und so sind die Eindrücke und Erfahrungen, die Klaus Scherer von 2007 bis 2012 als ARD‑Korrespondent in Washington und damit vor der Wiederwahl von Präsident Obama gesammelt hat, durchaus noch aktuell und der Lektüre wert. Das Buch ist dabei als Ergänzung und Hintergrundinformation zu seinen Fernsehsehberichten und ‑reportagen zu lesen, es bietet Einsichten in Alltag und politisches Geschehen. Implizit aufgeworfen wird damit die Frage, worin die Substanz dieser Weltmacht besteht. Geschildert werden unter anderem die Arbeit eines mobilen Allzwecklazaretts für Menschen, die sich (bisher) keine eigene Krankenversorgung leisten können, der praktischen Nutzen eines Notstromgenerators für den Privathaushalt und die „schludrige Buchhaltung“ des Finanzamtes. „Je länger ich den Alltag dieses Landes teile, desto mehr kann ich Obamas Bemühen um mehr Verbraucherschutz verstehen“ (39), schreibt Scherer. Für die konservativen Gegner des Präsidenten aber gelte allein die Existenz der neuen Verbraucherschutzbehörde „als marktfeindliche Regulierung“ – „obwohl jeder weiß, mit wie viel Werbetricks Amerikas Verbraucher nicht nur von Banken ausgenommen werden“ (245). Die Einsicht, dass der Markt sich keineswegs alleine regelt und sich Qualität auch nicht von alleine durchsetzt, schildert Scherer zwar als Ergebnis der alltäglichen Erfahrung. Diese aber scheint auf der politischen Ebene keine Rolle zu spielen, zumindest nicht für die Republikaner und die sie dominierende Tea Party. Scherer steht erkennbar fassungslos vor deren allein ideologisch motivierten Statements. „Wie, so fragen wir uns auf Drehs mitunter gegenseitig, geht man als unabhängiger Beobachter mit Demonstranten um, die einem erklären, Obama sei schlimmer als die Nazis?“ (93) Die „faktische Orientierungslosigkeit der Republikaner“ (200) stellt, so wird deutlich, einen Verlust für das Land dar, weil echte inhaltliche Auseinandersetzungen – sei es über die Gesundheitsreform, den Zustand traumatisierter Soldaten, den massenhaften Tod illegaler Einwanderer an der Südgrenze oder zahlreiche andere Themen – auf der Strecke bleiben. Die Sorge aus dem letzten Wahlkampf – „wohin jene Mischung aus Selbstgefälligkeit, Ignoranz und Unkenntnis womöglich führt, wenn sie sich im Land, wie unter George W. Bush, erst wieder Vorherrschaft erobert“ (248) – dürfte also auch in Zukunft virulent bleiben.
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Rubrizierung: 2.64 | 2.22 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Klaus Scherer: Wahnsinn Amerika. München/Zürich: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36628-wahnsinn-amerika_42775, veröffentlicht am 23.01.2014. Buch-Nr.: 42775 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken