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Christin Leistner

Gerd Poppe. Ein unangepasstes Leben in der DDR

Stuttgart: ibidem-Verlag 2013 (Göttinger junge Forschung 15); 205 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-8382-0500-7
Politikwiss. Abschlussarbeit Göttingen; Betreuung: F. Walter. – Gerd Poppe ist einer der bekanntesten Akteure der Bürgerrechtsbewegung der DDR. Gemeinsam mit Bärbel Bohley und anderen hat er die „Initiative Frieden und Menschenrechte“ (IFM) als erste unabhängige Bürgerbewegung der DDR im Jahr 1986 auf den Weg gebracht. Die IFM trat später zusammen mit dem Neuen Forum und Demokratie Jetzt als Bündnis 90 – später aufgegangen in Bündnis 90/Die Grünen – bei den ersten freien Wahlen der DDR an. Für Bündnis 90/Die Grünen war Poppe bis 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages und bis 2003 Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe. Vorangegangen waren diesem direkten politischen Engagement Lebensstilexperimente, die Poppe in den frühen 1970er‑Jahren in eine Berliner Wohngemeinschaft führten, in der Robert Havemann und Wolfgang Biermann zu den regelmäßigen Gästen zählten. Der Protest gegen die Ausbürgerung Biermanns im Jahr 1976 brachte Poppe dann endgültig in Konflikt mit der Staatsmacht. Berufliche Ausgrenzung – Poppe war hochqualifizierter Physiker in der Mikroelektronik und sollte an die Akademie der Wissenschaften berufen werden – und sogenannte Zersetzungsmaßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit waren die Folge. Im Gegensatz zu anderen Akteuren der Oppositionsszene war Poppe nicht kirchlich eingestellt, nahm aber den Schutz und Freiraum, den die Kirchen in der DDR boten, an. Innerhalb der IFM war Poppe vor allem mit dem Verfassen und der Herausgabe von Samisdat‑Schriften befasst. Er entwickelte dabei ein eher liberales, nicht‑sozialistisches politisches Programm. Christin Leistner möchte ausweislich der „theoretischen Vorüberlegungen“ (24) mit dieser Biografie dazu beitragen, einen „Typus des Oppositionellen“ (25) zu erhellen. Auf die Einbeziehung der umfangreichen Stasi‑Akte Poppes wird dabei verzichtet, wesentliche Quellen sind vor allem Gespräche (Leitfadeninterviews) mit ihm und anderen Zeitzeugen. Auf die Fragestellung der Arbeit bezogen, scheint es aber, dass Poppes Biografie gerade das nicht‑typusmäßige, individuelle, ja idiosynkratische des Dissidentenlebens beweist, auch wenn Leistner diese Antwort nicht so klar geben mag. Die Konsequenzen dieser sehr verschiedenen Lebenswege und Ansichten der DDR‑Oppositionellen werden nach 1990 in der Wahrnehmung sehr unterschiedlicher parteipolitischer Optionen sichtbar.
Sebastian Lasch (LA)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.314 | 2.3 Empfohlene Zitierweise: Sebastian Lasch, Rezension zu: Christin Leistner: Gerd Poppe. Stuttgart: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36607-gerd-poppe_44292, veröffentlicht am 16.01.2014. Buch-Nr.: 44292 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken