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Hannah Arendt / Joachim Fest

Eichmann war von empörender Dummheit. Gespräche und Briefe. Hrsg. von Ursula Ludz und Thomas Wild

München/Zürich: Piper 2013; 206 S.; 8,99 €; ISBN 978-3-492-30411-5
In einem bisher unveröffentlichten Briefwechsel und in einer wiederentdeckten Radiosendung aus dem Jahr 1964 diskutieren Hannah Arendt und Joachim Fest über Adolf Eichmann und dessen frappierende Selbstinterpretation, die tiefe Einblicke in die reibungslose Funktionsweise der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie gewährt. Es ist die „geradezu verrückte Idealisierung des Gehorsams“ (45), die für Hannah Arendt in der Person Eichmanns beispielhaft ihren Ausdruck findet. Eingeleitet wird der Band von überaus kenntnisreichen und luzide entwickelten Gedankengängen der Herausgeber, die als profilierte Arendt‑Experten sowohl in den thematischen Zusammenhang als auch in den geschichtlichen Hintergrund der Eichmann‑Kontroverse einführen: „Zeigt sich hier ein neuer Tätertyp? Eine Kombination aus Wirklichkeitsverweigerung, Erfahrungsverlust, Pflichttreue und Verantwortungslosigkeit, die auch ein Paradigma der Moderne bildet?“ (13) In der Tat, was Hannah Arendt und Joachim Fest in ihrem Radiogespräch wie auch in der anschließenden Briefkorrespondenz zwischen 1964 und 1973 erörtern, gilt der „Realitätsferne und Gedankenlosigkeit“, die – so Arendt – „mehr Unheil anrichten können als alle die dem Menschen vielleicht innewohnenden bösen Triebe zusammengenommen“ (13). Hannah Arendts Wort von der „Banalität des Bösen“ wird in diesem freimütig lebendigen Gedankenaustausch ebenso scharfsinnig analysiert und in seiner Tiefendimension freigelegt wie Joachim Fests Darstellung und Charakterisierung der nationalsozialistischen Führungsriege, die insbesondere in der Person von Albert Speer, Hitlers vertrautem Architekten und späteren Rüstungsminister, Gestalt annimmt. Den Abschluss bildet das Kapitel „Zur Kontroverse um Hannah Arendts Eichmann in Jerusalem“, in dem „Vier Dokumente aus den Jahren 1963 bis 1965“ (107 ff.) versammelt sind. Nachdem die hier abgedruckte Erklärung des Council of Jews from Germany im März 1963 die lebhafte Debatte über Arendts Reportage zum Eichmann‑Prozess angestoßen hatte, rief unter anderem der in diesen Band ebenfalls aufgenommene Aufsatz von Golo Mann ein großes Echo hervor. Dass auf der anderen Seite jedoch über die zeitgeschichtliche Verortung hinaus Arendts Eichmann‑Analyse auch Einsichten über das Denken und über das Urteilen gewährt, zeigt Arendts Freundin Mary McCarthy in ihrem Beitrag „Ein Dokument ethischer Verantwortung: Zu Hannah Arendts Bericht Eichmann in Jerusalem“ (127 ff.) auf.
Karl-Heinz Breier (KHB)
Prof. Dr., Institut für Sozialwissenschaften und Philosophie, Universität Vechta.
Rubrizierung: 2.35 | 2.312 Empfohlene Zitierweise: Karl-Heinz Breier, Rezension zu: Hannah Arendt / Joachim Fest: Eichmann war von empörender Dummheit. München/Zürich: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36585-eichmann-war-von-empoerender-dummheit_44696, veröffentlicht am 09.01.2014. Buch-Nr.: 44696 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken