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Michael C. Bienert / Stefan Creuzberger / Kristina Hübener / Matthias Oppermann (Hrsg.)

Die Berliner Republik. Beiträge zur deutschen Zeitgeschichte seit 1990

Berlin: be.bra wissenschaft verlag 2013 (Zeitgeschichte im Fokus 2); 272 S.; geb., 19,95 €; ISBN 978-3-95410-101-6
Es ist ein wenig selbstverständlich geworden, von der Berliner Republik zu sprechen. Man grenzt die Bundesrepublik nach 1990, oder genauer die nach 1999, also nach dem Umzug der Bundesregierung vom Rhein an die Spree, gerne von der alten westdeutschen Bonner Republik ab. So schillernd der Begriff der Berliner Republik auch ist, so richtig bekommt man ihn auch im Rückblick nicht wirklich zu fassen. Hat sich die Bundesrepublik tatsächlich so stark gewandelt? Was in intellektuell‑feuilletonistischer Weise gerne diskutiert wird, bedarf doch einer zeithistorischen Fundierung. Tatsächlich war manches von dem, was wir heute erleben, bereits in den Jahren kurz nach 1990 diskutiert worden. Zugleich hat es eine Reihe von Veränderungsprozessen gegeben, die nicht kausal auf Wiedervereinigung oder Regierungsumzug zurückzuführen sind. Auf einer Veranstaltung aus Anlass des 60. Geburtstags des Potsdamer Zeithistorikers Manfred Görtemaker sind im Berliner Landesarchiv eine Reihe von Aspekten zur deutschen Zeitgeschichte debattiert worden. Die in diesem Sammelband dokumentierten Beiträge zeigen, wie in den Jahren der Transformation bis etwa 1995 einige entscheidende Weichen gestellt wurden. Zugleich stehen eine Reihe von identitätsstiftenden Fragen für die künftige Historie der Bundesrepublik noch aus. Changierte die alte Bundesrepublik zwischen Provisorium und Erfolgsgeschichte, so scheint die wiedervereinigte Bundesrepublik zwar ihre Souveränität gewonnen zu haben, aber eine politische, kulturelle oder intellektuelle Identität hat sie offensichtlich noch nicht gefunden. Die Politik der Berliner Republik ist „unkalkulierbarer“ (63), die Journalisten haben „einen Teil der intellektuellen Deutungsmacht übernommen“ (173) beziehungsweise die intellektuelle Elite stammt noch aus der Bonner Republik. Der deutsche Nationalstaat hat sich nach 1990 von den Axiomen der alten Bundesrepublik gelöst, ohne diese zu negieren. Die Folge ist, dass sich Deutschland insoweit normalisiert hat, als es „sich denselben Problemen schrumpfender Dispositionsräume nationaler Politik stellen musste wie jeder andere demokratische Staat im Weltalter der Globalisierung“ (190).
Stephan Klecha (SKL)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Institut für Demokratieforschung der Universität Göttingen.
Rubrizierung: 2.315 | 4.21 | 2.3 | 2.342 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Stephan Klecha, Rezension zu: Michael C. Bienert / Stefan Creuzberger / Kristina Hübener / Matthias Oppermann (Hrsg.): Die Berliner Republik. Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36574-die-berliner-republik_43378, veröffentlicht am 09.01.2014. Buch-Nr.: 43378 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken