Skip to main content
Wilhelm Knelangen / Tine Stein (Hrsg.)

Kontinuität und Kontroverse. Die Geschichte der Politikwissenschaft an der Universität Kiel

Essen: Klartext 2013; 522 S.; brosch., 29,95 €; ISBN 978-3-8375-0763-8
Vor über 60 Jahren wurde mit der Berufung Michael Freunds die Politikwissenschaft an der Christian‑Albrechts‑Universität gegründet. Dies ist den Herausgebern Anlass, die geflügelte Formulierung von der „jungen Disziplin mit ihrer alten Tradition“ aufzugreifen, um nach Kontinuitäten und Brüchen der Wissenschaft von der Politik in Kiel zu fragen. Der Leser erfährt etwas über namhafte Wissenschaftler aus drei Jahrhunderten, sowohl über gestandene Fachvertreter der bundesdeutschen Politikwissenschaft als auch über Vorläufer einer wissenschaftlichen Analyse der Politik, seien es nun Historiker, Juristen oder Nationalökonomen. Wenig überraschend stellt der unlängst in die Kritik geratene Institutsgründer Michael Freund einen Schwerpunkt dar: Während Birte Meinschien einen guten biografischen Überblick über dessen Berufung nach und Wirken in Kiel vorlegt, widmet sich Philipp Eulenberger Freunds Sorel‑Anthologie „Der falsche Sieg“ von 1944. Wie ist es zu erklären, dass ein der SPD nahestehender Historiker ein so tendenziöses Buch verfasst? Eulenberger erklärt sich diesen opportunistischen Schritt mit Freunds unbedingtem Willen zum Publizieren, griff doch der im akademischen Aufstieg nach 1933 behinderte Forscher zu jeder sich bietenden Gelegenheit, doch noch in Amt und Würden zu kommen. Ähnlich sieht es Catharina J. Nies, die Freund gegen die Angriffe der 68er in Schutz nimmt. Er war weder Nationalsozialist noch lupenreiner Demokrat, zu dem frühe bundesdeutsche Politikwissenschaftler mitunter stilisiert werden – und weshalb es dann zu jenen Kontroversen kommt, wie sie aktuell das Fach bewegen. So plausibel die Fokussierung auf Freund sein mag, sie ist auch bedauerlich: Denn die Frage, ob Freund ein Ausreißer in der „herrschaftskritischen und auch sozialemanzipatorischen Forschungs‑ und Lehrtradition“ (Knelangen/Stein, 41) der CAU Kiel ist, unterschlägt, dass zu den Ahnherren des Nachdenkens über Politik in Kiel auch Wissenschaftler gehören, die man durch eine heuristische Verengung auf Herrschaftskritik und Gesellschaftsemanzipation per se ausschließt: Dies betrifft nicht nur Karl August Eckhardt und die sogenannte Kieler Schule im Nationalsozialismus, sondern auch gewichtige Größen wie Erich Kaufmann, der, worauf Michael Henkel unlängst hingewiesen hat, einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den im Band gefeierten Hermann Heller ausübte. Des Weiteren bedingt die Konzentration auf Freund, dass zahlreiche Wissenschaftler ungenannt bleiben. Man denke an Walter Jellinek, Hermann Kantorowicz und vor allem Walther Schücking sowie Gustav Radbruch. Schließlich bleibt auch das Bild der institutionalisierten Politikwissenschaft nach 1945 übersichtlich, denn allein der Beitrag von Katia H. Backhaus zu Werner Kaltefleiter und Wilfried Röhrich widmet sich unmittelbar der Kieler Politikwissenschaftsgeschichte.
{FS}
Rubrizierung: 1.1 | 1.3 | 2.31 | 5.33 Empfohlene Zitierweise: Frank Schale, Rezension zu: Wilhelm Knelangen / Tine Stein (Hrsg.): Kontinuität und Kontroverse. Essen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36573-kontinuitaet-und-kontroverse_43222, veröffentlicht am 09.01.2014. Buch-Nr.: 43222 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken