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Franz Heschl (Hrsg.)

Die politische Rhetorik der Europäischen Kommission

Wiesbaden: Springer VS 2013 (Europa, Politik, Gesellschaft); 492 S.; 49,99 €; ISBN 978-3-658-01098-0
Habilitationsschrift; Begutachtung: M. Haller, S. Puntscher Riekmann, K. Kraemer, G. Voruba. – Die zentrale Hypothese der Arbeit lässt sich „mit dem Schlagwort ‚Entpolitisierung durch Integrationsrhetorik‘“ (14) zusammenfassen. Dabei geht Franz Heschl davon aus, dass der politische Charakter und die politische Gestaltbarkeit des europäischen Integrationsprozesses in der sprachlichen Darstellung und der Rhetorik der Europäischen Kommission weitgehend verschleiert und stattdessen „als ein nicht weiter (politisch) verhandelbares Projekt oder Produkt ‚reinster‘ Rationalität“ entworfen werden. Ein weiteres rhetorisches Muster der Kommission bildet die Betonung von „Koordination und Kohärenz“ (15) von EU‑Politik. Heschl leistet mit der Untersuchung dieser Rhetorik sowohl in inhaltlicher als auch methodischer Hinsicht einen wertvollen Beitrag zur soziologischen Europa‑Forschung, die sich seit gut zehn Jahren immer weiter etabliert und dabei grundlegende Defizite der tradierten integrationstheoretischen Ansätze aufdeckt. Dazu hat Heschl 210 von insgesamt 1.793 Mitteilungen der Europäischen Kommission aus den Jahren 2000 bis 2009 untersucht – vor allem zu gesellschaftlichen und ökonomischen Aspekten des Integrationsprozesses. Ihm geht es dabei weder um die Analyse von „Textpassagen mit dem Charakter von Sonntagsreden noch um diese exakten, realistischen Beschreibungen sozialer Sachverhalte“. Vielmehr interessieren ihn die „grundsätzlichen Einschätzungen der Europäischen Kommission zum europäischen Integrationsprozess“ (99). So bleibt etwas unklar, wie die untersuchungsrelevante Stichprobe genau gezogen wurde. Im Ergebnis sieht Heschl seine Ausgangshypothese bestätigt. Denn ganz in der Tradition des Neofunktionalismus wird der Integrationsprozess in der Rhetorik der Kommission „als weitgehend entpolitisierter Modernisierungsprozess im Sinne eines rationalen Fortschrittsprojektes“ (448) kommuniziert. Verteilungsaspekte werden dabei weitgehend ausgeklammert. Indem die Kommission oft den Anschein erweckt, dass es nur „einen sachlich richtigen“ Prozess gibt, der „alles für alle umfasst“, werden Konflikte vermieden beziehungsweise nicht problematisiert. Dies spiegelt sich in der vielfach genutzten Formulierung von den „Herausforderungen“ (187) wieder, vor denen die EU steht. Herausforderungen sind eben keine Probleme, die auch eine Selbstreflexion erfordern. Insgesamt liefert Heschl eine umfassende Analyse, die nicht nur die Rhetorik der Kommission, sondern letztlich auch die stereotypen Semantiken des professionellen Europadiskurses demaskiert. Eine breitere Theoriebasis sowie eine Analyse zur Diffusion der Argumentationsmuster der Kommission wären wünschenswert gewesen – insbesondere anstatt der stellenweise sehr langen Original‑Zitate aus den Mitteilungen.
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 3.3 | 3.4 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Franz Heschl (Hrsg.): Die politische Rhetorik der Europäischen Kommission Wiesbaden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36505-die-politische-rhetorik-der-europaeischen-kommission_44410, veröffentlicht am 12.12.2013. Buch-Nr.: 44410 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken