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Oliver Marchart

Das unmögliche Objekt. Eine postfundamentalistische Theorie der Gesellschaft

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2013 (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2055); 479 S.; 22,- €; ISBN 978-3-518-29655-4
Nach seiner viel beachteten Abhandlung über die politische Differenz (siehe Buch‑Nr. 38500) veröffentlicht Oliver Marchart nun einen weiteren Baustein – er selbst nennt es ein „prequel“ (14) – seiner postfundamentalistischen Theorie der Gesellschaft. Nachdem sich der Philosoph und Soziologe bisher auf einzelne Autoren aus der von ihm nachgewiesenen Familie des Linksheideggerianismus konzentriert hat, legt er sein Augenmerk nun auf die historische Entwicklung verschiedener Theorieschulen der Sozialwissenschaften. Marcharts Ausgangspunkt ist das altbekannte Phänomen, dass die Gesellschaftswissenschaft sich nicht über ihren Grundbegriff einig ist – die Frage „Was ist Gesellschaft?“ blieb bis dato unbeantwortet. Marchart konfrontiert im ersten Teil des Buches die Klassiker der Soziologie mit diesem Problem und kommt zu dem Schluss, dass Gesellschaft notwendigerweise ein unmögliches Objekt darstellt, das einem theoretisch zwar ständig über den Weg läuft, sich einer genauen Kategorisierung aber systematisch entzieht. Eine Erklärung dieses Phänomens bleibt Marchart freilich schuldig – für die Unmöglichkeit der Gesellschaft kann im besten Fall ein angemessener Umgang gefunden werden, aufgelöst wird sie aber nie. Gerade hier zeigt sich aber der Sinn von Marcharts Postfundamentalismus: Die Lösung besteht weder in der Kapitulation vor der Ungestaltbarkeit der fragmentierten Welt noch in der ideologischen Versteifung auf einen fixen Rahmen, sondern in der Erkenntnis, dass politische Begründungen sich eben nicht analytisch oder metaphysisch, wohl aber politisch bewähren müssen. Vor diesem Hintergrund setzt Marchart seine Interpretation von Klassikern mit dem Fokus auf die antagonistische Seite sozialer Beziehungen fort. Im dritten Teil wird diese generelle Stoßrichtung des Projekts weiterentwickelt: Theorie als Instrument des radikalen sozialen Wandels. Marchart erklärt, wie unterschiedliche Theoriezweige auf eine politisch kohärente Linie gebracht werden können – und trifft damit einen wichtigen Nerv des momentanen politikwissenschaftlichen Diskurses.
Florian Geisler (FG)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe Universität Frankfurt am Main.
Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Florian Geisler, Rezension zu: Oliver Marchart: Das unmögliche Objekt. Frankfurt a. M.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36470-das-unmoegliche-objekt_43561, veröffentlicht am 05.12.2013. Buch-Nr.: 43561 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken