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Julia Lieb

Diplomatie jenseits des Staates. Die EU-Außenvertretung gegenüber Drittstaaten und der Europäische Auswärtige Dienst

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2013 (Aktuelle Materialien zur Internationalen Politik 80); 211 S.; 39,- €; ISBN 978-3-8487-0485-9
Diss. Köln; Begutachtung: W. Wessels, J. Schild. – Mit der Schaffung des Amtes der Hohen Vertreterin der EU für Außen‑ und Sicherheitspolitik im Jahre 2009, das derzeit Catherine Ashton innehat, ging auch die Schaffung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) einher, der als eigene diplomatische Vertretung der EU in Drittstaaten seit dem 1. Januar 2011 tätig ist. Julia Lieb geht – angesichts dieser in der breiteren europäischen Öffentlichkeit wohl eher weniger beachteten Entwicklung – der Frage nach, inwiefern der neu geschaffene EAD bisher bereits gewachsene Strukturen in der internationalen Vertretung von EU‑Interessen überlagert oder abgelöst hat: „Welche Akteure, Strukturen und Verfahren der EU‑Diplomatie gegenüber Drittstaaten haben sich bis zur Aufnahme der Tätigkeit durch den EAD am 1. Januar 2011 herausgebildet? Welche Faktoren haben diese Entwicklung beeinflusst?“ (12) Um sich an die mitunter „diffuse Kompetenzverteilung in der EU‑Außenpolitik“ (11) anzunähern, wählt Lieb ein kombiniertes Verfahren von vertiefter Prozess‑ und qualitativer Inhaltsanalyse. Gegenstand ihrer Untersuchung sind im Wesentlichen öffentlich zugängliche Quellen, wie EU‑Dokumente oder Redemanuskripte von beteiligten Entscheidern. Lieb kommt zu dem Ergebnis, dass die EU‑Diplomatie grundsätzlich nicht mit der klassischen staatlichen Diplomatie gleichzusetzen sei. Verdeutlichen lasse sich dies etwa anhand ihres „Grades der Etabliertheit“ (161), den Lieb anhand der Indikatoren Autonomie, Ressourcen und Status festlegt. So sei es Catherine Ashton bislang nicht gelungen, für sich und den EAD eine hinreichend signifikante politische Selbstständigkeit gegenüber den außenpolitischen Interessen der EU‑Mitgliedstaaten zu etablieren. Erkennen lässt sich ein solcher, noch unterausgeprägter Status auch an der Bezeichnung der Repräsentationsstandorte: „Von ‚Botschaften der Union’“, so Lieb, „ist ebenfalls nicht die Rede“ (166). In der Summe bietet der Band eine spannende und umfassende Analyse der Geschichte der auswärtigen Interessenvertretung auf europäischer Ebene – von zaghaften Schritten der Vergemeinschaftung in den 1950er‑Jahren bis hin zur Entstehung des EAD. Dass dieser im sprichwörtlichen Sinne erst noch wird laufen lernen müssen, verdeutlicht Lieb nachdrücklich.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 3.6 | 3.3 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Julia Lieb: Diplomatie jenseits des Staates. Baden-Baden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36404-diplomatie-jenseits-des-staates_44383, veröffentlicht am 14.11.2013. Buch-Nr.: 44383 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken