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Patrick Kilian

Georges Bataille, André Breton und die Gruppe Contre-Attaque. Über das "wilde Denken" revolutionärer Intellektueller in der Zwischenkriegszeit

St. Ingbert: Röhrig Universitätsverlag 2013 (Mannheimer Historische Forschungen 35); 191 S.; 24,- €; ISBN 978-3-86110-530-5
Geschichtswiss. Masterarbeit Mannheim; Begutachtung: E. Pelzer, C. Ruhe. – Contre‑Attaque war ein kurzlebiges, von Surrealisten 1935 gegründetes linkes Bündnis, dessen bekanntesten Protagonisten, der Surrealist André Breton und der Philosoph Georges Bataille, zu den bedeutendsten Linksintellektuellen der Zwischenkriegszeit und zu den wichtigsten geistigen Einflussfaktoren für die gegenwärtige französische Philosophie zählen. Den Denkgestus dieser Intellektuellen charakterisiert Patrick Kilian mit dem von Claude Lévi‑Strauss entlehnten Begriff des sogenannten wilden Denkens, das als Protest gegen die „Logik der Vernunft“ (Breton) bewusst assoziativ sein will. Das Buch ist für jeden lesenswert, der sich mit den Vordenkern der intellektuellen französischen Avantgarde im 20. Jahrhundert jenseits von Jean‑Paul Sartre beschäftigen möchte und über etwas Vorwissen verfügt. Der Autor stellt zunächst Batailles und Bretons Auseinandersetzung mit Hegel und Alexandre Kojève in den Mittelpunkt, weil hier das zivilisationskritische Motiv beider Exzentriker am plastischsten wird. Hellsichtig weist Kilian aber auch auf die Divergenzen beider Autoren hin, seien es persönliche Animositäten, gekränkte Eitelkeiten, unterschiedliche Überzeugungen und politische Einstellungen – hier vor allem Bretons kompliziertes Verhältnis zur Kommunistischen Partei. Und dennoch: Kurzzeitig schließen sie sich im Kampf gegen den Faschismus zusammen, einig in ihrer Ablehnung von Dritter Republik und Kapitalismus. Kilian beschreibt gelungen, wie die Gruppe zusammenkommt, was sie verbindet und wo die Sollbruchstelle lag, die deren baldiges Ende provozierte: Batailles Gewaltphantasien, die ihn auch für die Surrealisten zu einem protofaschistischen Autor machten. Etwas verwirrend für eine historische Arbeit ist, dass realgeschichtliche Bezüge, etwa das Verhältnis der Linksintellektuellen zur Front Populaire, kaum betrachtet werden. Zudem wird die an sich sehr gut lesbare Arbeit durch die ständigen Referenzen an eben jene Autoren belastet, die in der Tradition der hier behandelten Protagonisten stehen (Foucault, Lacan, Deleuze usw.). Dies verkompliziert die historische Rekonstruktion, ohne dass damit ein theoretischer Mehrwert geliefert wird. Gleiches trifft auch auf das abschließende Kapitel zu, in dem Kilian seine Protagonisten gegen den absurden Vorwurf verteidigt, sie seien die intellektuellen Wegbereiter des islamistischen Terrorismus.
Frank Schale (FS)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 5.46 | 5.42 | 2.61 Empfohlene Zitierweise: Frank Schale, Rezension zu: Patrick Kilian: Georges Bataille, André Breton und die Gruppe Contre-Attaque. St. Ingbert: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36397-georges-bataille-andr-breton-und-die-gruppe-contre-attaque_44177, veröffentlicht am 14.11.2013. Buch-Nr.: 44177 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken