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Dagmar Fink / Birge Krondorfer / Sabine Prokop / Claudia Brunner (Hrsg.)

Prekarität und Freiheit? Feministische Wissenschaft, Kulturkritik und Selbstorganisation

Münster: Westfälisches Dampfboot 2013; 281 S.; 19,90 €; ISBN 978-3-89691-929-8
Die Prekarisierung scheint in den vergangenen Jahren die gesellschaftliche Metaentwicklung schlechthin zu sein. Die Konsequenzen sind dabei nach Ansicht der Herausgeberinnen nicht zwangsläufig nur im negativen Bereich zu verorten. Der Folgeerfahrung – „die Akkumulierung unterschiedlichen Wissens und von verschiedenen Fähigkeiten und Kompetenzen durch eine sich ständig neu konstituierende Arbeit und Lebenserfahrung“ (1) – kann man grundsätzlich auch positive Seiten abgewinnen – der Preis, den jede(r) Einzelne dafür zahlt, stellt jedoch die eigentliche Ironie dieser Entwicklung dar. Die gesellschaftlichen Teilsphären, in denen disziplin‑ und lebensweltübergreifende Kompetenzen soziale und finanzielle Anerkennung nach sich ziehen, beschränken sich immer stärker auf wenige Kernbereiche; individuelle Risikoübernahme, lebenslanges Lernen und nahezu unbegrenzte Flexibilität in Arbeit und Lebensführung bieten als selbstverständliche Mindestanforderungen somit keine Garantie mehr für berufliche, finanzielle und soziale Stabilität. Das klassische Paradebeispiel für Prekarität im oberen Bildungssegment stellten bislang große Teile des Kunst‑ und Kulturbereiches dar; in den letzten Jahren scheint eine vergleichbare Entwicklung jedoch mit ungeheurer Wucht auch auf den Bereich der Sozialwissenschaften überzugreifen. Vor diesem Hintergrund diskutieren die Autorinnen des vom Verband feministischer Wissenschaftlerinnen (VfW) herausgegebenen Sammelbandes unterschiedliche Aspekte von Prekarität. Dabei fließen zum einen zahlreiche eigene Erfahrungen in die Beiträge mit ein, zum anderen wird einigen in der Debatte bislang eher vernachlässigten Aspekten ausreichend Raum geboten – neben den besonderen Rollen und Erfahrungen von Frauen allgemein auch den Positionen von Migrantinnen. So schreibt beispielsweise Petja Dimitrova in ihrem Beitrag, dass Migrationspolitiken „schon immer das ‚Pilotprojekt‘ der Prekarisierung“ (103) darstellten. Ähnlich argumentiert Luzenir Caixeta, wenn sie darauf verweist, dass „Migrantinnen zunehmend die Lücken des durch Sparprogramme redimensionierten Sozialstaates füllen“ (37), während zugleich ihr eigener systematischer Ausschluss aus Arbeits‑ und Sozialrechten fortbesteht. Das Buch verknüpft theoretische Überlegungen mit alltäglichen Erfahrungen und verortet Prekarität auf intelligente Weise an der Schnittstelle zwischen ökonomischer und kultureller Globalisierung, sozialer Ungleichheit und individueller Lebens‑ und Freiheitsentwürfe.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.27 | 2.36 | 2.342 | 2.262 | 2.61 | 2.63 | 2.4 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Dagmar Fink / Birge Krondorfer / Sabine Prokop / Claudia Brunner (Hrsg.): Prekarität und Freiheit? Münster: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36396-prekaritaet-und-freiheit_44100, veröffentlicht am 14.11.2013. Buch-Nr.: 44100 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken