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Florian Boettcher

Ursachen kommunaler Haushaltsdefizite. Eine finanz- und politikwissenschaftliche Untersuchung am Beispiel der nordrhein-westfälischen Gemeinden

Berlin: Lit 2013 (Volkswirtschaft 8); 295 S.; brosch., 39,90 €; ISBN 978-3-643-12120-2
Diss. TU Kaiserslautern; Begutachtung: M. Junkernheinrich. – Seit Langem beklagen Bürger und kommunalpolitische Akteure die schlechte Finanzausstattung vieler Kommunen, die oft auch während eines konjunkturellen Aufschwungs nicht aus der Verlustzone kommen. Der Autor geht den tieferen Ursachen dieses Problems nach, wobei er sich auf Nordrhein‑Westfalen konzentriert und dort sämtliche 396 Gemeinden befragte. Im theoretischen Teil befasst er sich mit landeseinheitlichen und gemeindespezifischen Faktoren, wobei letztere sowohl exogen (zum Beispiel: Sozialstruktur) als auch endogen (zum Beispiel: Intensität des politischen Wettbewerbs) sein können. Deren Wirksamkeit wird sodann im empirischen Teil überprüft. Das Ergebnis: „Rund drei Viertel der Ausgabenvarianz und sogar mehr als 85 Prozent der Einnahmedisparitäten ließen sich durch strukturelle Unterschiede zwischen den Kommunen erklären.“ Damit „ließen sich mehr als 60 % der Unterschiede der Rechnungsergebnisse durch den Einfluss der Netto‑Finanzkraft, die Bevölkerungsentwicklung sowie die SGB‑II‑Quote vorhersagen“ (250). Aber auch die lokalen politischen Bedingungen haben einen signifikanten Einfluss auf die Lage der Kommunalfinanzen: Ein starker Wettbewerb zwischen den Parteien und Wählergruppen verschlechtert die Finanzsituation tendenziell, da, wie der Autor andeutet, sich damit die Wahrscheinlichkeit für eine von allen mitgetragene Sparpolitik verringert. Dagegen begünstigt eine wirkmächtige Steuerungspolitik durchsetzungsfähiger Bürgermeister, Kämmerer und Ratsfraktionsvorsitzender ein besseres Haushaltsergebnis. In seiner theoretischen Grundlegung geht der Autor von einer prinzipiellen machtpolitischen Unterlegenheit der (seiner Meinung nach offenbar tendenziell sparsamen) Steuerungspolitiker gegenüber den (offenbar generell ausgabefreudigen) Fachpolitikern in den Ausschüssen aus. Ein wichtiger Grund hierfür ist, dass die Effekte einer Sparpolitik langfristig wirken, während kurzfristige Ausgaben den Bürgern unmittelbar zugutekommen und damit auch das Ansehen der politischen Akteure erhöhen. Der Einfluss der Public‑Choice‑Theorie ist hier deutlich zu spüren und der Eindruck der theoretischen Eindimensionalität wird durch die klar wahrnehmbare Parteinahme des Autors für eine reine Austeritätspolitik noch verstärkt. Die Überlegung, dass auch eine finanzschwache Kommune Investitionen in die Zukunft tätigen muss, und die Frage, wie dies am ehesten zu erreichen ist, finden zu wenig Beachtung. Dennoch ist die detailreiche Studie ein wichtiger Diskussionsbeitrag.
Kristian Klinck (KLI)
Dr. rer. pol., Politikwissenschaftler, Lehrbeauftragter, Institut für Sozialwissenschaft, CAU Kiel.
Rubrizierung: 2.325 Empfohlene Zitierweise: Kristian Klinck, Rezension zu: Florian Boettcher: Ursachen kommunaler Haushaltsdefizite. Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36351-ursachen-kommunaler-haushaltsdefizite_44252, veröffentlicht am 31.10.2013. Buch-Nr.: 44252 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken