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Stefan Haack

Der Staat mit den geteilten Organen

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2013 (Schönburger Gespräche zu Recht und Staat 19); 87 S.; 19,90 €; ISBN 978-3-506-77774-4
Wer eine affirmative Geschichte zu den derzeitigen Verhältnissen in der Europäischen Union sucht, wird in diesem Essay fündig. Stefan Haack versteht seine Gedanken als ein Angebot einer „Lehre vom Staat mit den geteilten Organen“, die „als eine staatstheoretische Deutung der politischen Gegebenheiten im Zeitalter einer postmodernen Staatlichkeit und als eine hieraus sich ergebende Interpretation des geltenden Rechts“ (65) zu verstehen sei. Der zentrale Gedanke ist dabei mit Bezug zur EU, dass deren Organe nicht als dem Nationalstaat übergeordnete Ebene verstanden werden dürften, sondern als von den jeweiligen Mitgliedstaaten der EU „adoptiert“ (23), womit sie in die bestehende Rechtsordnung integriert seien. Dies bedeute, dass das „Organensemble“ der EU selbst Bestandteil eines jeden „Staatswesen[s]“ (22) sei. Dadurch teilten sich die Staaten diese Organe, weshalb Haack von einem „Organ‑Sharing“ (23) spricht. Diese Auffassung steht der verbreiteten Auffassung von einem Mehrebenensystem, das die EU‑Organe auf einer anderen Ebene ansiedelt, diametral entgegen. Für Haack ist dieses Verständnis fehlgeleitet, da qua Definition eine andere, eventuell höhere rechtsetzende Ebene jenseits des Staates nicht existieren könne, denn die Staatlichkeit sei die „letztmaßgebliche Koordinationsstruktur innerhalb des Ordnungsganzen“ (36). Nur von diesem für Haack einzig richtigem Staatsverständnis könne eine Rechtsgeltung ausgehen und nur in diesem Kontext eines Staates sei Demokratie denkbar, da ein „ontischer Bezug der Demokratie auf den Staat“ (11) existiere. Mit der Lehre vom Staat mit den geteilten Organen gelingt es Haack dann problemlos, jegliche, von anderen konstatierte Demokratiedefizite der EU herunterzuspielen, da sich alle Kompetenzübertragungen im Rahmen des Grundgesetzes bewegten und somit die letztmaßgebliche Koordinierung bei den jeweiligen Nationalstaaten verbleibe. Denn dass das Demokratieprinzip eingeschränkt werde, sei verfassungsgemäß, da die „prinzipielle Möglichkeit des Organ‑Sharings zur Identität von Staat und Verfassung gezählt werden muss“ (57). Wichtig sei, dass die Staaten jeweils eine Kontroll‑ und Korrekturmöglichkeit behalten müssten, die sich ganz im Sinne des Lissabon‑Urteils des Bundesverfassungsgerichts auf eine „ultra‑vires‑Kontrolle und einer Prüfung der Verletzung von unverzichtbaren Verfassungsstandards“ (55) beschränken solle. Haacks Ausführungen sind pointiert, aber letztlich irritiert doch der rechtsdogmatische Jargon („Wesen“, „Identität“, „wirkliche Seinsgrund“ [65] des Staates), der eine Eindeutigkeit der Sachlage suggeriert, die fraglich ist.
Jan Achim Richter (JAR)
Dipl.-Politologe, Doktorand, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.41 Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Stefan Haack: Der Staat mit den geteilten Organen Paderborn u. a.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36328-der-staat-mit-den-geteilten-organen_44301, veröffentlicht am 24.10.2013. Buch-Nr.: 44301 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken