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Gudrun Hentges

Staat und politische Bildung. Von der "Zentrale für Heimatdienst" zur "Bundeszentrale für politische Bildung"

Wiesbaden: Springer VS 2013; 493 S.; 49,95 €; ISBN 978-3-531-18670-2
Habilitationsschrift Köln; Begutachtung: C. Butterwegge, E. Kleinau, A. Waldschmidt, B. Overwien. – Auf Bundesebene wird die politische Bildung seit 1963 von der Bundeszentrale für politische Bildung organisiert. Bis dahin hieß diese Institution „Bundeszentrale für Heimatdienst“ und knüpfte damit an eine entsprechende „Reichszentrale“ in der Weimarer Republik an; der Begriff verweist auf den Ersten Weltkrieg und auf die nach innen gerichtete Propaganda der III. Obersten Heeresleitung: „Heimatdienst [ist] das Pendant zu Frontdienst“ (13). Die Umbenennung ist kein Zufall, sondern bringt einen Aspekt jenes gesellschaftlich‑politischen Wandels um 1960 zum Ausdruck, der als zweite Gründung der Bundesrepublik apostrophiert wird. Der „Heimatdienst“ wurzelte letztlich in politischer Propaganda, politische Bildung zielt dagegen ihrem demokratischen Selbstverständnis nach auf aufgeklärte und mündige Bürgerinnen und Bürger. Auf Grundlage der Aktenüberlieferung, v. a. aus dem Bundesarchiv Koblenz, aber auch aus anderen deutschen und US‑Beständen, schreibt Hentges die Geschichte dieser Institution bis zu ihrer Umbenennung. Dabei rekonstruiert sie zunächst die unterschiedlichen Vorstellungen der Alliierten, der Bundesregierung und anderer Akteure. Den Kernteil der Arbeit bildet eine Institutionengeschichte. Dabei wird deutlich, dass sich politische Bildungsarbeit in den Anfängen der Bundesrepublik in einem Spannungsfeld zwischen Kaltem Krieg und Wiederbewaffnung, unbewältigtem NS‑Erbe und zögerlicher gesellschaftlicher Demokratisierung entfaltete. Konflikte um Personen – beispielsweise Renate Riemeck, die sich gegen die atomare Aufrüstung stark machte, oder Walter Jacobsen, der allzu offen die Wurzeln des Antisemitismus und Nationalismus ansprach – bewirkten, dass das Innenministerium 1960 einen „Maulkorberlass“ verfügte und die publizistische Tätigkeit seiner nachgeordneten Dienststelle stärker kontrollierte. Vertiefend widmet sich Hentges dem „Ostkolleg“ der Bundeszentrale, an dessen Planung nationalsozialistisch vorbelastete Ostforscher wie Gerhard von Mende maßgeblich beteiligt waren. Indem sie den Blick auf die Frühgeschichte der politischen Bildungsarbeit in der Bundesrepublik lenkt, schließt Gudrun Hentges eine zentrale Lücke der Forschung.
Gideon Botsch (GB)
Dr., Dipl. Pol., wiss. Mitarbeiter, Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien Potsdam (http://www.mmz-potsdam.de).
Rubrizierung: 2.324 | 2.313 Empfohlene Zitierweise: Gideon Botsch, Rezension zu: Gudrun Hentges: Staat und politische Bildung. Wiesbaden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36237-staat-und-politische-bildung_44500, veröffentlicht am 26.09.2013. Buch-Nr.: 44500 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken