Skip to main content
Günter J. Trittel

„Man kann ein Ideal nicht verraten …“. Werner Naumann – NS-Ideologie und politische Praxis in der frühen Bundesrepublik

Göttingen: Wallstein Verlag 2013; 347 S.; 39,90 €; ISBN 978-3-8353-1300-2
Der Göttinger Historiker Günter J. Trittel stellt den ehemaligen Staatssekretär im NS‑Propagandaministerium und persönlichen Referenten von Joseph Goebbels, Werner Naumann (1909–1982), in den Blickpunkt seines Interesses. Naumann habe zu den wenigen Repräsentanten der nationalsozialistischen Führungsriege gehört, die nach 1945 fast bruchlos an ihren ideologischen Überzeugungen festhielten und dies auch öffentlich artikulierten. Im Januar 1953 sei er unter dem Vorwurf einer Verschwörung zur „Wiederergreifung der Macht“ (7) vorübergehend von den britischen Besatzungsbehörden verhaftet worden. Im September des Jahres habe er ohne großen Erfolg bei den Bundestagswahlen in Niedersachsen für die Deutsche Reichspartei kandidiert und sei anschließend nicht mehr politisch tätig gewesen. Von besonderem Interesse sei in diesem Zusammenhang der vorangegangene Versuch einer Reihe ehemaliger NS‑Funktionäre, innerhalb der nordrhein‑westfälischen FDP den Kern einer neuen „Nationalen Sammlung“ aufzubauen, die ideologisch und politisch an das Hitler‑Regime anknüpfen sollte. Trittel schildert diese Bemühungen auf einer breiten Basis gedruckter und ungedruckter Quellen. Ins Zentrum seiner Überlegungen stellt er die Frage, inwieweit Anfang der 1950er‑Jahre eine reale Chance für ein Wiederanknüpfen an solche Positionen bestand. In der Bevölkerung verortet der Autor durchaus ein „möglicherweise mobilisierbares faschistisches Potential“. Gegenüber den ersten Erfolgen der jungen Bundesrepublik mit der Verabschiedung der Westverträge, dem entschlossenen Gegenhandeln der Bundesregierung und der britischen Kontrollmacht sowie der „gründlichen Diskreditierung ehemaliger NS‑Aktivisten als Repräsentanten eines gescheiterten Projektes“ (301) erschien diese Option aber wenig attraktiv. Der Autor wendet sich zudem gegen die in der wissenschaftlichen Deutung vielfach verbreitete „Unterwanderungsthese“ in Bezug auf den Kreis um Naumann und die FDP. Ziel der Gruppe sei vielmehr der Aufbau einer neuen Massenbewegung gewesen – ein Vorhaben, das angesichts der Existenz eines „starken, demokratisch legitimierten Kern[s]“ (306) in der deutschen Parteienlandschaft rasch und gründlich scheiterte.
Martin Munke (MUN)
M. A., Europawissenschaftler (Historiker), wiss. Hilfskraft, Institut für Europäische Studien / Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.3 | 2.35 | 2.312 | 2.313 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Günter J. Trittel: „Man kann ein Ideal nicht verraten …“. Göttingen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36207-man-kann-ein-ideal-nicht-verraten-_44360, veröffentlicht am 19.09.2013. Buch-Nr.: 44360 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken