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Heinz A. Richter

Griechenland 1950-1974. Zwischen Demokratie und Diktatur

Ruhpolding/Mainz: Verlag Franz Philipp Rutzen 2013 (Peleus 60); 501 S.; 58,- €; ISBN 978-3-447-06908-3
Gesamtdarstellungen zur modernen griechischen Geschichte in deutscher Sprache sind rar. Zu den wenigen Experten auf diesem Gebiet gehört der Mannheimer Emeritus Heinz A. Richter, der sich ein Jahr nach Erscheinen seines Standardwerks über die Zeit des Zweiten Weltkriegs und der Bürgerkriege (siehe Buch‑Nr. 42464) nun den Ereignissen bis zum Ende der Militärdiktatur 1974 widmet. Auf der Basis von Akteneditionen, Memoiren und der Forschungsliteratur in deutscher, englischer und griechischer Sprache schildert er die tiefe gesellschaftliche Spaltung Griechenlands – und damit politik‑, wirtschafts‑ und sozialgeschichtliche Entwicklungen, die die Grundlage für die heutige Staatskrise bilden. So ist es nach 1949 nicht gelungen, das von klientelistischen Beziehungen geprägte politische System grundlegend zu reformieren. Von den USA zur Verfügung gestellte Finanzhilfen kamen hauptsächlich dem Militär zugute, anstatt eine Industrialisierung des agrarisch geprägten Landes voranzutreiben. Gleichwohl kam es durch die allgemeine positive wirtschaftliche Entwicklung in Europa für große Teile der Bevölkerung zu einer Verbesserung des Lebensstandards. Entgegen der allgemeinen öffentlichen Meinung schildert Richter den Putsch der Obristengruppe um Georgios Papadopoulos im April 1967 als eine „rein griechische Angelegenheit“ (482) ohne Kenntnis oder gar Beteiligung der USA. Ein Erbe dieser Zeit ist die bis heute ungelöste Zypernfrage: Der von Junta‑Mitglied Dimitrios Ioannidis inszenierte Putsch gegen die Regierung des Erzbischofs Makarios III. führte zur Invasion der türkischen Streitkräfte und damit zur anhaltenden Teilung der Insel, aber schließlich auch zum Sturz der autoritär herrschenden Obristen in Griechenland. Das spannungsreiche Verhältnis des Landes zur Türkei ist denn auch einer der Schwerpunkte des Bandes und wird immer wieder aufgegriffen. Das Schlussfazit fällt ernüchternd aus: Während es in Spanien und Portugal nach dem Ende der autoritären Regime in den 1970er‑Jahren zur nachhaltigen Entwicklung demokratischer Strukturen gekommen ist, „blieb in Griechenland hinter der demokratischen Fassade alles beim Alten“ (483 f.).
Martin Munke (MUN)
M. A., Europawissenschaftler (Historiker), wiss. Hilfskraft, Institut für Europäische Studien / Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.61 | 2.25 | 4.22 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Heinz A. Richter: Griechenland 1950-1974. Ruhpolding/Mainz: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36148-griechenland-1950-1974_44208, veröffentlicht am 05.09.2013. Buch-Nr.: 44208 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken