Sexuelle Orientierung im Völker- und Europarecht. Zwischen kulturellem Relativismus und Universalismus
Rechtswiss. Diss. Potsdam; Begutachtung: A. Zimmermann, R. Geiß. – Auch wenn in völker‑ und europarechtlichen Analysen die sexuelle Orientierung mehr und mehr Berücksichtigung findet, gibt es nach Ansicht von Rebekka Wiemann doch noch viele offene Fragen, die sie mit ihrer Dissertation beantworten helfen möchte: „Inwiefern regelt Völkerrecht Fragen zu sexueller Orientierung und gleichgeschlechtlicher Partnerschaft? Welche Konflikte entstehen aufgrund der unterschiedlichen kulturellen, soziologischen und religiösen Hintergründe? Und wie findet das Völkerrecht einen Ausgleich zwischen diesen verschiedenen Hintergründen, ohne gleichzeitig seine eigenen Standards aufzugeben? Erkennt Völkerrecht nationale Regelungen an, die einen hohen Schutz vor Diskriminierung vorsehen?“ (20). Im Rahmen ihrer auch für Nicht‑Rechtswissenschaftler_innen gut verständlichen Untersuchung operationalisiert die Autorin den Begriff sexuelle Orientierung als Homosexualität und analysiert (zum Teil exemplarisch) Bereiche des universellen Völkerrechts (Menschenrechte, Flüchtlings‑ und Völkerstrafrecht), des Europarechts (EMRK und Nichtdiskriminierung) sowie das Dienstrecht überregionaler und europäischer internationaler Organisationen. Aufgrund der zahlreichen untersuchten Bereiche sei hier beispielhaft auf die Ergebnisse aus dem Flüchtlingsrecht verwiesen, die die bestehenden Schwierigkeiten deutlich zutage treten lassen: Erstens wird der Beweis der sexuellen Orientierung im Rahmen eines Asylverfahrens mithilfe sehr fragwürdiger Methoden wie etwa psychologischer Gutachten oder auch durch Phallografie erbracht. Dies greift zum einen erheblich in die Intimsphäre der Betroffenen ein und zum anderen erwecken diese Methoden den Anschein eines pathologischen Zustands der Asylsuchenden. Zweitens ist es häufig unmöglich, eine tatsächliche Verfolgung bzw. die begründete Furcht hiervor zu beweisen, da einige Staaten sogar die Existenz von Homosexualität verneinen und entsprechend auch nur wenige Dokumente verfügbar sind, die die Verfolgung belegen. Wiemann legt eine wahrlich spannende Untersuchung vor, die in ihrem letzten Teil die parallelen Entwicklungen oder ähnlichen Argumentationsmuster zwischen verschiedenen Rechtsinstitutionen herausstreicht und bestehende Spannungsfelder beleuchtet.