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Michaela Willert

Regulierte Wohlfahrtsmärkte. Private Altersvorsorge in Deutschland und Großbritannien

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2013 (Campus Forschung 962); 458 S.; kart., 51,- €; ISBN 978-3-593-39877-8
Diss. FU Berlin; Begutachtung: B. Riedmüller. – Seit den 1980er‑Jahren lassen sich umfassende Veränderungen im Bereich der sozialen Wohlfahrtsmärkte in Europa feststellen. So wurde zum Beispiel angesichts von Kürzungen im staatlichen Vorsorgebereich die freiwillige individuelle Alterssicherung wichtiger. Michaela Willert untersucht deshalb, wie sich die private Altersvorsorge in Deutschland und Großbritannien entwickelt hat und problematisiert dabei zwei Annahmen, die mit dem Konzept sozialer Wohlfahrtsmärkte einhergehen: zum einen, dass soziale Wohlfahrtsmärkte mit sozialen Zielen reguliert werden. Zu diesen sozialen Zielen gehören der soziale Ausgleich, die Förderung von Teilhabe und die Reduzierung von Ungewissheit. Zum anderen wird analysiert, ob soziale Ziele mit privaten Vorsorgeprodukten erreicht werden können, womit die Frage der Steuerbarkeit des Vorsorgemarktes aufgeworfen wird. Innerhalb des Zeitraumes von 1988 bis 2010 für Großbritannien und von 2001 bis 2010 für Deutschland findet die Autorin unter anderem heraus, dass die Reform der Altersvorsorge vor allem an ökonomischen und fiskalischen Zielen orientiert gewesen ist. Dabei seien weiterhin alle drei sozialen Ziele verfolgt worden, jedoch entwickelten sie sich zuungunsten des Ziels des sozialen Ausgleichs, da die Ziele der Teilhabe und der individuellen Planbarkeit betont worden seien. Hinsichtlich der Steuerbarkeit der Wohlfahrtsmärkte kommt die Autorin zu dem Schluss, dass diese eingeschränkt möglich ist. So verringerten sich etwa die Kosten für die Vorsorge in Großbritannien und der Schutz vor Insolvenz in beiden Ländern erhöhte sich. Gleichzeitig sei es jedoch auch zu großen Implementierungsproblemen mit nicht‑intendierten Folgen – zum Beispiel bei der Durchsetzbarkeit von Regeln zu den Produktkosten – gekommen. Weitere Folgen seien zudem, dass Bezieher mittlerer und geringerer Einkommen in Großbritannien auf dem Vorsorgemarkt benachteiligt worden seien. Auch sei die Steuerbarkeit dadurch beschränkt, dass den individuellen Akteuren die Motivation fehle, an der eigenen Vorsorge mitzuwirken. Am Ende stellt die Autorin ein Steuerungstrilemma zwischen unterschiedlichen Zielen fest, in dem die staatliche Politik unter den selbst geschaffenen Rahmenbedingungen gefangen sei. Dies bestehe zwischen dem Ziel der Konsolidierung des Staatsbudgets, dem Ziel, Markteingriffe zu beschränken, und zuletzt den sozialen Zielen. Die Dissertation kann dies anhand der unterschiedlichen Instrumente, die die beiden untersuchten Staaten einsetzen, eindrucksvoll belegen und leistet damit zugleich einen Beitrag zum Thema des Wandels der Staatlichkeit.
Jan Achim Richter (JAR)
Dipl.-Politologe, Doktorand, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.262 | 2.61 | 2.342 Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Michaela Willert: Regulierte Wohlfahrtsmärkte. Frankfurt a. M./New York: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36071-regulierte-wohlfahrtsmaerkte_43790, veröffentlicht am 15.08.2013. Buch-Nr.: 43790 Rezension drucken