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Jacob L. Talmon

Die Geschichte der totalitären Demokratie. Band III. Der Mythos der Nation und die Vision der Revolution: Die Ursprünge ideologischer Polarisierung im zwanzigsten Jahrhundert. Hrsg. und eingeleitet von Uwe Backes, unter Mitarbeit von Silke Isaak und Annett Zingler

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2013 (Wege der Totalitarismusforschung); 751 S.; geb., 79,99 €; ISBN 978-3-525-31010-6
Jacob L. Talmons monumentales Werk über die Ursprünge der von ihm so bezeichneten totalitären Demokratie ist insbesondere im englischen und französischen Sprachraum rezipiert worden. In Deutschland wird zwar zuweilen in den Literaturangaben von Büchern über den Totalitarismus auf ihn verwiesen, dies geschieht aber oftmals nur unzureichend oder kommt nur als notwendige Verpflichtung daher, sodass man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, eine eingehende Beschäftigung mit ihm lohne sich nicht. Dass der dritte Band zur Geschichte der totalitären Demokratie nun Jahrzehnte nach seinem Erscheinen (englische Ausgabe: 1981) erstmals ins Deutsche übersetzt wurde, zeugt von der hierzulande überwiegenden Vernachlässigung dieses politischen Denkers. Der Begriff der totalitären Demokratie legt bereits dar, was als Axiom für das Denken Talmons fungiert: Ursache und Entstehung totalitärer Systeme sind aufs Engste mit der Entwicklungsgeschichte der Demokratie verflochten, wobei Talmon in den ersten beiden Bänden (siehe Buch‑Nr. 39642 und 39643) hauptsächlich auf den Linkstotalitarismus abzielt. Im dritten Band analysiert Talmon die Wechselwirkung beider totalitärer Diktaturen und enthüllt den pseudodemokratischen Charakter dieser Systeme. Obgleich die bereits im ersten Band vollzogene Haftbarmachung Jean‑Jacques Rousseaus für den Totalitarismus des 20. Jahrhunderts ideengeschichtlich fragwürdig ist, weil sie die Historizität des Denkens verkennt, indem man den Toten einen Sack voller Streiche spielt (so Quentin Skinner), verdeutlicht Talmon dessen ungeachtet, wie und warum die Demokratie sowohl für den linken als auch für den rechten Totalitarismus legitimitätsstiftend sein konnte: Das Versprechen einer vollendeten Demokratie nehme, in die Praxis umgesetzt, die Form totalitärer Diktatur an. – Liberale Demokratien können dem nur entgehen, wenn sie ihren Absolutheitsanspruch gleichermaßen relativeren. Diesen Schluss zieht Talmon freilich nicht.
Patrick Stellbrink (PS)
M. A., Politikwissenschaftler, Promovend an der TU Chemnitz.
Rubrizierung: 5.46 | 5.1 | 5.31 Empfohlene Zitierweise: Patrick Stellbrink, Rezension zu: Jacob L. Talmon: Die Geschichte der totalitären Demokratie. Band III. Göttingen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35868-die-geschichte-der-totalitaeren-demokratie-band-iii_39644, veröffentlicht am 27.06.2013. Buch-Nr.: 39644 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken