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Erna Appelt / Brigitte Aulenbacher / Angelika Wetterer (Hrsg.)

Gesellschaft. Feministische Krisendiagnosen

Münster: Westfälisches Dampfboot 2013 (Forum Frauen und Geschlechterforschung 37); 268 S.; 27,90 €; ISBN 978-3-89691-237-4
Zahlreiche Veröffentlichungen zur Klima‑, Wirtschafts‑ oder Eurokrise bilden einen breiten aktuellen Diskurs. Die Herausgeberinnen argumentieren, dass die feministische Forschung in diesem unterrepräsentiert sei. Aus einem feministischen Blickwinkel identifizieren sie vier Krisendiagnosen, nach denen sie den Band gegliedert haben. Es handelt sich um ökologische Krisen und ihre Bearbeitung, die Krise der Reproduktion, um Transformationen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, die mit problematischen Entwicklungen für die (Geschlechter‑) Demokratie verbunden seien, und schließlich Veränderungen in Geschlechterkultur, ‑normierungen und ‑ideologien, die feministisches Denken vor neue Herausforderungen stellten. Jeder Abschnitt enthält drei Aufsätze. Worin liegt nun in Anbetracht der thematischen Breite und der Unspezifik, die mit dem Krisenbegriff verbunden ist, das Charakteristische der feministischen Diagnostik? Folgt man den Herausgeberinnen, dann fokussiert der feministische Blick die „gesellschaftliche Reproduktion, die Herrschaftsverhältnisse und soziale Ungleichheiten“ (20). In diesem Sinne und unter dem Titel „Krise war immer…“ plädiert Cornelia Klinger für eine Erweiterung des Care‑Gedankens als „Lebenssorge“ (die Care‑Ethik sieht Individuen nicht als autonom, sondern als umfassend in Fürsorge vernetzt). Mit diesem Begriff sollen „alle theoretischen Reflexionen von und alle praktischen Relationen zwischen Menschen, die sich aus den Bedingungen der Kontingenz […] ergeben“ (83), gefasst werden. Sie argumentiert, dass es Themen der Lebenssorge sind, die in den Krisen der vergangenen Jahre verhandelt werden – allerdings ohne, dass diese als solche benannt werden. Birgit Sauer wiederum zeigt auf, wie die Partizipationsmöglichkeiten an politischen Entscheidungen für Gruppen mit geringen Machtressourcen durch die Transformation von Government zu Governance eingeschränkt werden. Bereits erkämpfte formalisierte Teilhaberechte (von Frauen) würden dadurch unterlaufen. Diese zwei exemplarisch herausgegriffenen Aufsätze stehen stellvertretend für einen neuen, umfassenden Blick auf gesellschaftliche Krisendynamiken an der Schnittstelle zwischen Soziologie und Politikwissenschaft.
Alexandra Scheele (AS)
Dr., Politikwissenschaftlerin, Akademische Mitarbeiterin am Lehrstuhl Wirtschafts- und Industriesoziologie der BTU Cottbus.
Rubrizierung: 2.27 | 2.36 | 2.22 | 2.2 Empfohlene Zitierweise: Alexandra Scheele, Rezension zu: Erna Appelt / Brigitte Aulenbacher / Angelika Wetterer (Hrsg.): Gesellschaft. Münster: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35863-gesellschaft_43910, veröffentlicht am 19.06.2013. Buch-Nr.: 43910 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken