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David Graeber

Direkte Aktion. Ein Handbuch. Aus dem Englischen übersetzt von Sophia Deeg

Hamburg: Edition Nautilus 2013; 349 S.; brosch., 28,- €; ISBN 978-3-89401-775-0
Was ist zu tun, wenn Entfremdung objektiv nicht mehr zu verhindern ist? David Graeber stellt diese Frage von einem ganz eigenen, erfrischend anderen, aktivistischen Standpunkt aus. Als einer der bekanntesten Autoren des wissenschaftlichen Anarchismus widmet er sich nicht abstrakten politischen Theorien, sondern forscht den tatsächlichen Praktiken des internationalen Widerstands gegen Nationalismus, Krise und Kapitalismus hinterher. Die zentrale Perspektive seines Buches lautet: „[Kann] der Aktivismus selbst zum wichtigsten Mittel werden, die Entfremdung zu überwinden?“ (51) Kaum ein anderer Autor kann diese Frage mit so viel historischem Wissen über aktivistische Bewegungen, Organisationstechniken und divergierendem politischen Jargon bearbeiten. Graeber vermeidet dabei tunlichst, seine Version des Anarchismus als einen dritten Weg gegen andere politische Philosophien in Stellung zu bringen, sondern widmet sich einer nüchternen Genealogie der „Direkten Aktion“. Diese beginnt er mit einem Überblick über das Selbstverständnis anarchistischer Gruppierungen unserer Zeit. Schnell wird klar: Der entscheidende Nexus jedes modernen Aktivismus ist die Verbindung von direkter Aktion mit direkter Demokratie. Dies führt zu der Frage, inwiefern sich diese beiden Seiten zu einer Kultur des Widerstandes verbinden lassen. Gibt es so etwas wie eine Gegenkultur? „Kann man überhaupt gegen eine Kultur sein?“ (61) Sind herrschaftsfreie Räume im Spätkapitalismus überhaupt realisierbar? Graebers emphatische Antwort lautet: Ja, das sind sie, und die Lösung für dieses Problem liegt nicht in der Tiefe philosophischer Spekulation, sondern zeigt sich uns direkt in den Erfolgen und Misserfolgen antikapitalistischer Aktionsgruppen weltweit. Der Band entwickelt sich auf dieser Basis als zugängliches und aktivierendes Lesebuch, als Vehikel des Gefühls, nicht machtlos sein zu wollen. Der Autor gibt Antworten auf Fragen nach der Gewalt, der Stellung der Polizei, den Streiks, den Medien und der Politik – doch nie mit dem theoretischen Zeigefinger, sondern immer als Angebot. Das macht den Band als Brücke zwischen Theorie und Praxis so äußerst lesenswert.
Florian Geisler (FG)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe Universität Frankfurt am Main.
Rubrizierung: 2.22 | 2.2 | 4.43 Empfohlene Zitierweise: Florian Geisler, Rezension zu: David Graeber: Direkte Aktion. Hamburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35852-direkte-aktion_43805, veröffentlicht am 13.06.2013. Buch-Nr.: 43805 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken