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Jürgen Rüttgers

Parteien – übermächtig und überfordert. Zwanzig Jahre nach der Parteienkritik Richard von Weizsäckers

Marburg: Tectum Verlag 2012; 131 S.; pb., 12,95 €; ISBN 978-3-8288-3069-1
„Der Delegitimationsprozess von Politik und Parteien hat sich fortgesetzt“ (8), konstatiert Jürgen Rüttgers 20 Jahre nach der Parteienkritik von Weizsäckers und der Veröffentlichung seines eigenen Buches „Die Dinosaurier der Demokratie“. Die nun vorgelegte Analyse „ist natürlich von meinen Erfahrungen in der Politik geprägt[, …] aber keine politische Stellungnahme, sondern ein politikwissenschaftliches Essay“ (114). Das klingt nach einem Perspektivwechsel des Autors: Der ehemalige Bundesminister, Ministerpräsident, Landes‑ und stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU betrachtet also eine Situation, an der er aufgrund seiner herausgehobenen Ämter nicht unbeteiligt war, nunmehr aus der akademischen Sicht. Dieser Umstand schmälert nicht per se den Wert des gut recherchierten Buches, sollte aber bei der Lektüre bedacht werden. Das gilt etwa hinsichtlich der zutreffenden Feststellung, dass „Versuche zur Reform der Parteien und des Parteiensystems […] nicht viel, schon gar nichts umstürzend Neues“ (8) ergeben haben. In der ersten Hälfte seines Buches beschäftigt sich Rüttgers mit der „Parteienkrise“ (15). So falle den an Substanzverlust leidenden Parteien „wenig Neues ein, um den Abwärtstrend zu stoppen“ (24), und die „Politiker sind in eine eigene Kaste ausgewandert“ (31). Außerdem lösten sich die Milieus, die früher sichere Bastionen der Parteien gewesen seien, auf, weshalb die Milieutheorien „unbrauchbar“ (33) seien. Anschließend geht Rüttgers auf die nur „[z]aghafte[n] Reformen“ (51) der Parteien ein und prognostiziert: „Ihr schlechter Ruf bleibt bestehen, solange nicht Wege gefunden werden, die Stellung der Parteien in unserem politischen System neu zu definieren und auszurichten. Das erfordert aber Strukturreformen und neue inhaltliche Antworten“ (57). Die Parteien brauchen seiner Ansicht nach generell einen „Neustart“ (67). Sie müssten ihre Ziele und programmatischen Leitlinien anpassen. Außerdem sei „eine Neuvermessung der Verantwortungsräume in der deutschen Demokratie“ (88) erforderlich und die Parteien sollten sich aus den staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen zurückziehen.
Hendrik Träger (HT)
Dr., Politikwissenschaftler, Lehrkraft für besondere Aufgaben, Institut für Politikwissenschaft, Universität Magdeburg und Institut für Politikwissenschaft, Universität Leipzig.
Rubrizierung: 2.331 Empfohlene Zitierweise: Hendrik Träger, Rezension zu: Jürgen Rüttgers: Parteien – übermächtig und überfordert. Marburg: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35808-parteien--uebermaechtig-und-ueberfordert_43473, veröffentlicht am 07.03.2013. Buch-Nr.: 43473 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken