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Hagen Schölzel

Guerillakommunikation. Genealogie einer politischen Konfliktform

Bielefeld: transcript Verlag 2013 (Kultur- und Medientheorie); 367 S.; kart., 33,80 €; ISBN 978-3-8376-2235-5
Diss. Leipzig; Begutachtung: A. Zerfaß, U. Bröckling. – Das „befremdliche Überleben des Neoliberalismus“ (Crouch) als dominante soziale Formation ist erstaunlich – nicht zuletzt angesichts der aktuellen Krise. Die Suche nach Gegen‑strategien, Alternativen und Destabilisierungsversuchen der (über)dominant erscheinenden Ordnung führt oftmals zum Phänomen der Guerillakommunikation. Dabei klafft zwischen der öffentlichen Aufmerksamkeit dieser politischen Protestform (Berichte über oder Anleitung zur Guerillakommunikation) und der Anzahl wissenschaftlicher Analysen eine erhebliche Lücke. Hagen Schölzel nimmt das von ihm festgestellte offensichtliche Forschungsdesiderat zum Anlass für eine Genealogie der Guerillakommunikation – er analysiert die historische Entstehung dieser besonders flüchtigen, primär negativen Strategie diskursiver Intervention. Ziel der Guerillakommunikation ist demnach eben nicht die Etablierung oder Stabilisierung einer diskursiven Formation. Als eine negative Praxis soll vielmehr im Rahmen einer strategischen Interaktion (beispielsweise Verfremdung oder Neukodierung) die kulturelle Grammatik des scheinbar übermächtigen Gegenübers destabilisiert, entlarvt und damit entobjektiviert werden. Schölzels genealogische Analyse ist ausgesprochen detailliert und breit angelegt. Zunächst diskutiert er die grundsätzliche strategische Konstellation des (politischen) Guerillakriegs. Dieses strategische Modell findet sich nach Schölzel im Bereich der politischen Kommunikation verschiedener künstlerischer Avantgardebewegungen wieder (Dada, Surrealismus und Situationistische Internationale), die wiederum den Ausgangspunkt für gegenwärtige kulturelle Guerillapraktiken (Guerillamarketing, Kommunikationsguerilla) bilden und vom Autor anschließend untersucht werden. Dabei werden immer wieder die vielfältigen inhaltlich‑strategischen Parallelen und Verschränkungen von kritischer Guerillakommunikation und Guerillamarketing illustriert – die Trennung der beiden „Seiten“ und die grundsätzliche Einordnung als per se gegenhegemoniale Strategie ist also nicht so eindeutig möglich, wie es das übliche Verständnis von Guerillakommunikation vermuten lässt.
Ingmar Hagemann (IHA)
Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Duisburg-Essen.
Rubrizierung: 5.42 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Ingmar Hagemann, Rezension zu: Hagen Schölzel: Guerillakommunikation. Bielefeld: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35807-guerillakommunikation_43472, veröffentlicht am 28.03.2013. Buch-Nr.: 43472 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken