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Georg Fichtner

Die gerechtigkeitstheoretischen Grundlagen der politischen Begriffe "links" und "rechts"

Online-Publikation 2012 (http://edoc.ub.uni-muenchen.de/14755/1/Fichtner_Georg.pdf); 214 S.
Diss. LMU München; Begutachtung: M. Knoll, K. Fischer. – Georg Fichtners Arbeit ist zwischen politischer Philosophie und (parteipolitischer) Empirie angesiedelt. In ihrem politisch‑philosophischen Teil geht er der Frage nach, was das für die funktional differenzierte bundesrepublikanische Gesellschaft zutreffende Maß an Gleichheit respektive Ungleichheit in der Zuteilung von Lebenschancen und Ressourcen sein könne. Dieser seit der griechischen Antike immer wieder virulenten Frage nach der Gerechtigkeit versucht er sich über eine Auswertung der Programme der im Deutschen Bundestag vertretenen politischen Parteien anzunähern: „Da trotz der zunehmenden Macht globaler Unternehmen die Parteien immer noch die gesellschaftlichen Akteure sind, die eine Gesellschaft und deren Gesetze entscheidend mitgestalten, sollen ihre Programme unter einer gerechtigkeitstheoretischen Perspektive untersucht werden.“ (5) Dementsprechend zerfällt die Arbeit in zwei Teile: Im ersten Abschnitt entwickelt Fichtner einen Gerechtigkeitsbegriff, der sein zentrales Kriterium im Begriff der Gleichheit verortet. So entwirft Fichtner einen Dualismus egalitaristischer (etwa bei Rawls) und nicht‑egalitaristischer (beispielsweise Nietzsche und Nozick) gesellschaftlicher Formationen, die, so das Postulat, wiederum für unterschiedliche Gerechtigkeitsbegriffe anschlussfähig sind. Im zweiten Teil, der sich auf die Empirie bezieht, erörtert er dann die Vorstellung sozialer Gerechtigkeit in der Bundesrepublik Deutschland und zeigt auf, welche Vorstellung von Gerechtigkeit in den jeweiligen Parteiprogrammen dominant ist. Was dabei verstört – und sich nicht wirklich in das Gefüge der Arbeit einordnen lässt –, ist das Kapitel zwischen den beiden vorgenannten. Hier thematisiert Fichtner – ohne dass sich der notwendige Zusammenhang erschließt – Gleichheits‑ und Gerechtigkeitsideen des Nationalsozialismus, und das auch noch sehr holzschnittartig, was dann in der merkwürdigen Formulierung einer „NS‑Gerechtigkeitsvorstellung“ (123) gipfelt. War der faschistoide Totalitarismus der Nazis also doch irgendwie gerecht? – So bleibt ein kaum fassbarer Eindruck zurück, der sich am ehesten noch mit Unaufgeräumtheit beschreiben lässt: Was haben Hitler und Hartz IV, was haben die Nürnberger Rassengesetze mit flächendeckendem Mindestlohn zu tun? – Eben, gar nichts. Und so vergibt sich Fichtner selbst die Chance, einen angesichts der immer weiter um sich greifenden Wirtschafts‑ und Finanzkrise sowie der aktuellen Postdemokratiedebatte wichtigen Beitrag zu formulieren.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.35 | 2.3 | 2.331 | 2.312 | 2.313 | 2.315 | 5.42 | 5.46 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Georg Fichtner: Die gerechtigkeitstheoretischen Grundlagen der politischen Begriffe "links" und "rechts" 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35791-die-gerechtigkeitstheoretischen-grundlagen-der-politischen-begriffe-links-und-rechts_43433, veröffentlicht am 21.03.2013. Buch-Nr.: 43433 Rezension drucken