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Carlos Widmann

Das letzte Buch über Fidel Castro

München: Carl Hanser Verlag 2012; 336 S.; geb., 19,90 €; ISBN 978-3-446-24004-9
Es treten auf: ein lungenkranker Pole, der 1925 die Kommunistische Partei Kubas gründet, der polyglotte Publizist Boris Goldenberg, der Fidel Castro 1960 schon vor dessen eigener Einsicht den Gang in den moskautreuen Sozialismus prophezeite, und ein Zuckerrohr schlagender Hans Magnus Enzensberger – außerdem der Papst, verschiedene lateinamerikanische Politiker, teilweise mit Hang zum Diktatorentum, sowie Gabriel García Márquez. Zentral für den Tenor des Buches ist die lapidare Feststellung, dass das Urteil der Geschichte unergründlich ist – ob also Fidel Castro, so wie er in jungen Jahren vor Gericht verkündete, von ihr freigesprochen wird, scheint nach Widmanns Überzeugung mehr als ungewiss. Auch wenn der Journalist sicher nicht wie im Titel angekündigt das letzte Buch über Castro vorgelegt hat, gelesen werden sollte es aber tatsächlich am Ende einer einschlägigen Literaturliste, um an der freihändig (d. h. ohne Fußnoten oder Literaturhinweise) geschriebenen, meinungsstarken und zugespitzt formulierten Erzählung Spaß haben zu können. Kurzweilig ist das Buch vor allem dann, wenn Widmann Altbekanntes anders verpackt und neue Zugänge findet. Ein Beispiel dafür findet sich gleich am Anfang mit der Annäherung an Castro, die Widmann über einen Umweg inszeniert: Er seziert die Hingabe des Schriftstellers Márquez zum Revolutionär Castro und verortet sie irgendwo zwischen der unabgeschlossenen Zuneigung zum eigenen Großvater und dem lateinamerikanischen Faible für Führungspersönlichkeiten. Kurzweilig geht es weiter, Fidels Biografie fließt zusammen mit Kubas Geschichte, der Revolution, der Unterdrückung Andersdenkender unter seiner Herrschaft und den Leistungen des Staates, aber auch mit der US-Haltung zur abtrünnigen Karibikinsel und der Politik von Chávez, der vielleicht gerne so etwas wie ein venezolanischer Wiedergänger seines kubanischen Vorbildes wäre. Widmann ist dabei immer darauf aus, propagandistische Legenden als solche zu enttarnen und er erledigt dies mit unverkennbarem Spott. Für Revolutionsromantik ist da kein Platz.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.65 | 2.24 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Carlos Widmann: Das letzte Buch über Fidel Castro München: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35651-das-letzte-buch-ueber-fidel-castro_43034, veröffentlicht am 06.12.2012. Buch-Nr.: 43034 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken