Skip to main content
William J. Dobson

Diktatur 2.0. Ob Russland oder Ägypten, China oder Syrien: Diktaturen sind kein Auslaufmodell. Doch nichts fürchten sie mehr als das eigene Volk. Ein Frontbericht. Aus dem Englischen von Enrico Heinemann und Karin Schuler

München: Karl Blessing Verlag 2012; 495 S.; geb., 19,95 €; ISBN 978-3-89667-471-5
Die Zeit der Diktaturen ist – trotz des Arabischen Frühlings – noch nicht vorbei. Dieser Meinung ist der US-amerikanische Journalist William J. Dobson. Er schreibt über den heutigen Stand der weltweiten Demokratisierung sogar: „Die demokratische Welle hatte ihren Scheitelpunkt erreicht, und die unappetitlichen Regime der Welt – eine Mischung aus Diktatoren, Machthabern und autoritären Regierungen – feiern ein Comeback.“ (15 f.) So war die Zahl der Demokratien 2010 auf ihren niedrigsten Stand seit 1995 gefallen. Vor allem, so Dobson, habe sich das Wesen der Diktatur verändert. Autoritäre Herrscher seien heute raffinierter, gerissener und wendiger als früher. Sie herrschten im verschwommenen Spektrum zwischen Demokratie und Autoritarismus. Um seine These untermauern zu können, reiste der Journalist nach Russland, China, Venezuela und Ägypten, führte über zweihundert Interviews mit den Herrschenden und der Opposition über ihre Strategien, an der Macht zu bleiben oder an die Macht zu kommen. Dabei fand er heraus, dass heutige Diktatoren mit verfeinerten Methoden herrschen müssen, denn sie fürchten nichts mehr als ihr eigenes Volk. Brutale Formen der Einschüchterung wie Massenfestnahmen, Exekutionskommandos und gewaltsames Vorgehen werden deshalb durch subtilere Formen des Zwangs ersetzt. Dobson nennt ein Beispiel: „Statt die Mitglieder einer Menschenrechtsorganisation festzunehmen, setzen die effektivsten Despoten heutzutage Steuerprüfer und Inspektoren des Gesundheitsamtes ein, um Dissidentengruppen aufzulösen. Gesetze werden weit gefasst und dann wie ein Skalpell benutzt, um die Gruppe anzugreifen, die die Regierung als Bedrohung empfindet.“ (17) Dass es Diktatoren nicht immer gelingt, ihre Herrschaft zu erneuern, zeigte sich zwar 2011 in Tunesien, Ägypten und Libyen. Diese Revolutionen waren vor allem der Erfolg von jungen Oppositionellen, die weltweit vernetzt sind und mit cleveren Strategien am Sturz der Diktatoren arbeiteten. Trotzdem bleibt Dobson skeptisch, dass sich die Demokratie als Regierungsform weltweit stärker durchsetzt. Er meint, dass es durchaus schwerer ist, eine Demokratie zu errichten als eine Diktatur abzuschaffen. Ägypten sei dafür nur ein Beispiel.
Wilhelm Johann Siemers (SIE)
Dipl.-Politologe, Journalist, Redakteur der Sprachlernzeitschrift vitamin de, Florenz.
Rubrizierung: 2.25 | 2.65 | 2.68 | 2.62 | 2.63 Empfohlene Zitierweise: Wilhelm Johann Siemers, Rezension zu: William J. Dobson: Diktatur 2.0. München: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35613-diktatur-20_42977, veröffentlicht am 31.01.2013. Buch-Nr.: 42977 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken