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Christian Lannert

"Vorwärts und nicht vergessen?" Die Vergangenheitspolitik der Partei DIE LINKE und ihrer Vorgängerin PDS

Göttingen: Wallstein Verlag 2012 (Diktaturen und ihre Überwindung im 20. und 21. Jahrhundert 8); 292 S.; brosch., 29,90 €; ISBN 978-3-8353-1115-2
Diss. – „Für die ehemalige DDR-Staatspartei hat die Aufarbeitung der Geschichte und die Selbstverortung in historischen Kontexten eine besondere Bedeutung“ (13), erklärt Lannert einleitend, denn „die Geschichte [ist] ein wichtiges Mittel ihrer Politik“ (14). Vor diesem Hintergrund wird die Auseinandersetzung der PDS beziehungsweise der LINKEN mit ihrer Vergangenheit und der DDR analysiert. Lannert untersucht, „inwiefern in den verschiedenen historischen Diskursen der PDS respektive Linken (1.) eine öffentliche, kritische Diskussion, (2.) eine Disqualifikation der Positionen der alten Diktatur, (3.) strafende oder disziplinierende Konsequenzen gegenüber den Anhängern der alten Diktatur sowie (4.) Gesten der Wiedergutmachung gegenüber den Opfern der alten Diktatur stattgefunden haben“ (20). Zu diesem Zweck betrachtet er nach einem gelungenen Überblick über die innere Struktur der Partei mit ihren ideologischen Strömungen sieben Themen der Vergangenheitspolitik. Warum der Autor sich dabei intensiv u. a. mit der Stasi, der Wiedervereinigung beziehungsweise deren Folgen („‚Siegerjustiz’ und ‚Rentenstrafrecht’“[158]) sowie der Haltung zum Sozialismus beschäftigt, aber nicht näher auf die Mauer eingeht, wird nicht begründet. Infolge dieses kaum nachvollziehbaren Verzichts ist der Gehalt des Buches deutlich geschmälert, schließlich wird seit Jahren über die Position der Sozialisten zur Mauer sowie die Übernahme der politischen Verantwortung für die an der innerdeutschen Grenze Getötetendiskutiert und die Partei wegen ihrer Haltung kritisiert. Mit Blick auf die untersuchten Aspekte arbeitet Lannert mehrere Muster der Vergangenheitspolitik heraus; dazu gehören u. a. eine oft einseitige Perspektive und „schiefe Vergleiche, etwa zwischen rechtsstaatlichen Maßnahmen gegen Kommunisten in der Bundesrepublik und der Verfolgung von Andersdenkenden durch das SED-Regime“ (254). Die Partei nutze ihre Vergangenheitspolitik nicht nur, um „ihre Geschichtsbilder […] antiquarisch zu konservieren, sondern sie leitet weitreichende Handlungsoptionen für die Zukunft aus ihr ab“ (255)und versuche damit auch die perspektivisch angestrebte Systemüberwindung zu begründen.
Hendrik Träger (HT)
Dr., Politikwissenschaftler, Lehrkraft für besondere Aufgaben, Institut für Politikwissenschaft, Universität Magdeburg und Institut für Politikwissenschaft, Universität Leipzig.
Rubrizierung: 2.331 | 2.35 | 2.314 Empfohlene Zitierweise: Hendrik Träger, Rezension zu: Christian Lannert: "Vorwärts und nicht vergessen?" Göttingen: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35607-vorwaerts-und-nicht-vergessen_42967, veröffentlicht am 22.11.2012. Buch-Nr.: 42967 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken