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Stefan Seidendorf (Hrsg.)

Deutsch-Französische Beziehungen als Modelbaukasten? Zur Übertragbarkeit von Aussöhnung und strukturierter Zusammenarbeit

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2012 (Denkart Europa. Schriften zur europäischen Politik, Wirtschaft und Kultur 19); 218 S.; brosch., 29,- €; ISBN 978-3-8329-7467-1
Die einstigen Erzfeinde Frankreich und Deutschland pflegen heute eine Beziehung, die „unter der wohlwollenden Förderung, manchmal [… durch] sanften Druck“ (5) besonnener Staatsmänner zu einer tiefen und engen Freundschaft geworden ist, die nicht nur auf politischer, sondern auch auf zwischenmenschlicher Ebene existiert. Clémentine Chaigneau und Stefan Seidendorf fragen in ihrer Einleitung zunächst nach den Gründen für die Besonderheit des deutsch-französischen Modells und danach, ob „sich die für die Existenz dieses Modells verantwortlichen Faktoren so allgemein definieren [lassen], dass andere bilaterale Konstellationen damit verglichen werden können“ (13). Nach Ansicht beider Autoren (in Anlehnung an und Weiterentwicklung von Gardner-Feldman) wurde der Beziehungswandel durch vier Faktoren möglich: Bezug zur Geschichte (gemeint als Auseinandersetzung mit der Vergangenheit), Institutionen (sie helfen bei der strukturierten Zusammenarbeit), politischer Wille (im Sinne von Kämpfen für unpopuläre Vorschläge) und internationaler Kontext (keine hegemoniale Stellung beider Länder durch eine bipolare Weltordnung). Diese Faktoren werden in den folgenden Beiträgen des Sammelbandes konkret ausgeleuchtet. So stellt Eva Sabine Kuntz in ihrem Artikel die Entwicklung des Deutsch-Französischen Jugendwerkes (DFJW) dar, das sie als ein „Versuchslabor deutsch-französischer Beziehungen“ (107) begreift. Es erfülle eine Scharnierfunktion zwischen politischer Ebene und Zivilgesellschaft und sei – wenngleich auch aus pragmatischem Eigeninteresse gegründet – ein Erfolg. Chaigneau und Seidendorf kündigen zwar im Titel und der Überschrift von Teil III an, sich auch der Übertragbarkeit dieses Modells auf andere bilaterale Beziehungen widmen zu wollen, jedoch wird lediglich in einem Beitrag ein vergleichender Aspekt thematisiert (was nicht mit Übertragbarkeit gleichgesetzt werden kann): Tomáš Jelínek und Carsten Lenk rekonstruieren die Entwicklungen der Beziehungen zwischen Deutschland und Tschechien seit 1989 anhand der vier Parameter. Sie konstatieren, dass „manches bescheidener, auf Zeit angelegt, weniger abgesichert“ (213) sei als im deutsch-französischen Modell, sodass auch in Zukunft nicht zu erwarten stehe, dass sich das deutsch-tschechische Verhältnis so stabil und mannigfaltig wie das deutsch-französische entwickeln werde.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 4.2 | 4.21 | 4.22 | 2.22 | 2.331 | 2.61 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Stefan Seidendorf (Hrsg.): Deutsch-Französische Beziehungen als Modelbaukasten? Baden-Baden: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35566-deutsch-franzoesische-beziehungen-als-modelbaukasten_42910, veröffentlicht am 20.12.2012. Buch-Nr.: 42910 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken