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Michael Riekenberg (Hrsg.)

Zur Gewaltsoziologie von Georges Bataille

Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2012; 197 S.; hardc., 24,- €; ISBN 978-3-86583-598-7
Obwohl heute zahlreiche Schriften des akademischen Außenseiters Georges Bataille in deutscher Sprache vorliegen und die wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung des von ihm maßgeblich mitinitiierten Collège de Sociologie unumstritten ist – in diesem Jahr erschien eine ausführliche Sammlung der dort entstandenen Texte –, fristet er, anders als im Feuilleton, in der deutschsprachigen politischen Theorie immer noch ein Schattendasein. Hier gilt er als verdächtiger Nietzscheaner und wird maximal als Stichwortgeber für die Poststrukturalisten, insbesondere für Foucault, erwähnt. Dass dieses universitäre Desinteresse neben der im deutschen Sprachraum lange Zeit ignorierten französischen Denktradition (Durkheimschule) vor allem an Batailles assoziativer Schreibweise liegt, die sich wenig um konventionelle Fächergrenzen und methodische Klarheit bemüht, gibt der Herausgeber klar zu bedenken. Jedoch fragt er ganz im Sinne Batailles umgehend zurück, ob ein emotional-heterogenes Phänomen wie das der Gewalt überhaupt rational vollkommen erfasst werden könne. Dieses methodische Problem, wie etwas Nicht-Rationales (Gewalt) wissenschaftlich-rational verstanden werden kann, steht im Zentrum der anthropologischen, ethnologischen, soziologischen und kulturwissenschaftlichen Beiträge des Bandes. Besonders die von Markus-Michael Müller selbstkritisch gestellte Frage, ob nicht jede rationale Erklärung von Gewalt immer schon eine Legitimation staatlicher Gewalt impliziere, dürfte politiktheoretisch herausfordernd sein. Wenn Bataille nun noch weiter geht und Gewalt als etwas zum Leben Dazugehöriges normalisiert, in ihr aber auch ein Element der Auflehnung gegen den Konformismus feiert, ist es wenig verwunderlich, dass er damit in die Nähe zum Faschismus gerückt wurde, den Bataille selbst jedoch auf das Entschiedenste abgelehnt und bekämpft hat. Die Autoren kennen dieses Problem durchaus, etwa wenn Jonas Grutzpalk die Apologie der Gewalt als wesentliche Gemeinsamkeit von Malraux, Bataille und Jünger herausarbeitet. Er konstatiert bei Bataille jedoch den Schrecken der Todesdrohung als entscheidendes Hemmnis eines ungebremsten Heroismus à la Jünger.
Frank Schale (FS)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 5.42 | 5.41 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Frank Schale, Rezension zu: Michael Riekenberg (Hrsg.): Zur Gewaltsoziologie von Georges Bataille Leipzig: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35517-zur-gewaltsoziologie-von-georges-bataille_42843, veröffentlicht am 18.10.2012. Buch-Nr.: 42843 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken