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Christoph Becker-Schaum / Philipp Gassert / Martin Klimke / Wilfried Mausbach / Marianne Zepp (Hrsg.)

"Entrüstet Euch!" Nuklearkrise, Nato-Doppelbeschluss und Friedensbewegung

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2012; 379 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-506-77385-2
Ende der 1970er‑ und Anfang der 1980er‑Jahre begann in der Bundesrepublik eine öffentliche Debatte über die Auf‑ und Nachrüstung der beiden politischen Blöcke in Ost und West. Es formierte sich eine sehr heterogene Friedensbewegung, die trotz (oder gerade wegen) des vom deutschen Parlament ratifizierten NATO‑Beschlusses über die Stationierung von Mittelstreckenraketen viel Zuspruch und Unterstützung aus ganz unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft erhielt. In diesem Sammelband werden die Entwicklung der Friedensbewegung und die Positionen der etablierten politischen sowie der sich formierenden zivilgesellschaftlichen Gruppen dargestellt, hierbei wird auch auf einzelne Protagonisten verwiesen und die Frage diskutiert, „welche Folgen diese Kontroverse auf die bundesdeutsche Gesellschaft und im Hinblick auf das Ende des Kalten Krieges hatte“ (8). Während Anja Hanisch und Tim Geiger in ihren Beiträgen die Vorgeschichte der Friedensbewegung und des NATO‑Doppelbeschlusses in den Blick nehmen und damit die Grundlage für alle weiteren Artikel herausarbeiten, widmet sich Herman Wentker explizit den deutsch‑deutschen Beziehungen, die durch die Stationierung der Mittelstreckenraketen seiner Ansicht nach in dreifacher Weise herausgefordert wurden: Erstens waren Schmidt und Honecker genötigt, die Linien ihres jeweiligen Bündnisses mitzutragen; zweitens gab es in beiden deutschen Staaten erheblichen gesellschaftlichen Widerstand, auf den die politischen Amtsträger höchst unterschiedlich reagierten; drittens bildeten Bonn und Ost‑Berlin einen „gemeinsamen Kommunikationsraum, der sowohl von politischen Führungen als auch von gesellschaftlicher Seite zu wechselseitiger Einflussnahme genutzt werden konnte“ (88). Den zweiten Punkt beleuchtet Rainer Eckert in seinem Beitrag über die unabhängige Friedensbewegung in der DDR genauer. Die sich aus Mitarbeitern der evangelischen Kirche, Intellektuellen, Künstlern und Angehörigen marginalisierter Jugendgruppen bildende heterogene Friedensbewegung konnte unter dem Schutz protestantischer Gotteshäuser viele Aktionen starten, die in der offiziellen SED‑Rhetorik als vom Westen gesteuert und feindlich‑negativ verurteilt wurden. Trotz dieser Diffamierung erhielt die Friedensbewegung immer mehr Zulauf und wagte 1989 den Schritt in die Öffentlichkeit, wodurch sie die „Selbstisolation in privaten und kirchlichen Räumen“ (209) aufbrach und das Ende der SED‑Diktatur beförderte.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.313 | 2.314 | 2.331 | 4.21 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Christoph Becker-Schaum / Philipp Gassert / Martin Klimke / Wilfried Mausbach / Marianne Zepp (Hrsg.): "Entrüstet Euch!" Paderborn u. a.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35502-entruestet-euch_42819, veröffentlicht am 21.02.2013. Buch-Nr.: 42819 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken