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Tamar Amar-Dahl

Das zionistische Israel. Jüdischer Nationalismus und die Geschichte des Nahostkonflikts

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2012; 256 S.; brosch., 24,90 €; ISBN 978-3-506-77591-7
Der Staat Israel ist ein Produkt des Zionismus. Dieser jüdische Nationalismus war entstanden, nachdem Ende des 19. Jahrhunderts in Europa der Judenhass wieder aufgeflammt war. Der Holocaust schließlich verstärkte das Streben nach einer „jüdischen Heimstatt“ im alt-neuen Eretz Israel, die 1948 mit der Staatsgründung erreicht wurde. Doch noch am Anfang des 21. Jahrhunderts befindet sich Israel in dem Spannungsfeld zwischen einem „Verständnis von Nationalstaatlichkeit als alternativloser jüdischer Lebensform einerseits und den Gegebenheiten zur Realisierung des zionistischen Projekts andererseits“ (8). Hier, so Amar-Dahl, liege der Schlüssel zum Verständnis Israels und auch des Nahostkonflikts, der sich als scheinbar unlösbares regionales Problem herausgestellt habe. Die Autorin erörtert den Stellenwert der zionistischen Ideologie für das heutige Israel und in welchem Verhältnis Ideologie und praktische Umsetzung zueinander stehen. Kurz- bis mittelfristig werde Israel, so die Autorin, kein mehrheitlich jüdischer Staat mehr sein, womit das israelische Staatsverständnis als demokratischer jüdischer Staat infrage gestellt sei: „Die Demographie in Palästina spielt gegen den Mythos von Eretz Israel; der andauernde Kriegszustand zermürbt die israelische Zivilgesellschaft zusehends, [...] [m]ilitärische Stärke kann die Palästina-Frage nicht klären, der Einsatz nationalstaatlicher Gewalt kann auch nicht die ersehnte Sicherheit, geschweige denn Normalisierung und Frieden, bringen.“ (231) Wie sich im israelischen Staatsverständnis der Anspruch, jüdisch zu sein, mit dem demokratischen Anspruch verträgt, ist für Amar-Dahl eng mit der Frage verknüpft, ob die israelische Demokratie dem ewigen Kriegszustand standhalten kann. Zwar beantwortet die Autorin diese Frage nicht abschließend, doch sie legt dar, dass sich der jüdische Staat in einer äußerst heiklen historischen Phase befindet: „Nach über 60 Jahren erfolgreicher Politik im Sinne der zionistischen Staatsräson müssen sich die Israelis damit auseinandersetzen, dass die Geschichte nicht mehr auf ihrer Seite steht: Trotz regional-militärischer Hegemonie [...] und noch immer beträchtlicher Unterstützung des Westens wird im letzten Jahrzehnt immer offensichtlicher, dass die politische Ordnung Israels nicht von Dauer ist.“ (230 f.) Insgesamt befindet sich die Autorin in der Nähe der sogenannten new historians, zu denen etwa Benny Morris und Ilan Pappé, aber auch Tom Segev gezählt werden und die eine heftige inner-israelische Debatte darüber entfacht haben, welchen Stellenwert dem Zionismus sowohl historisch als auch aktuell beigemessen werden soll und ob sich ein zionistisches Israel mit seinen Nachbarn versöhnen kann.
Christiane J. Fröhlich (CJF)
Dr., Soziologie mit Schwerpunkt Friedens- und Konfliktforschung, wiss. Mitarbeiterin, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Hamburg.
Rubrizierung: 2.63 | 2.2 | 2.22 | 2.23 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Christiane J. Fröhlich, Rezension zu: Tamar Amar-Dahl: Das zionistische Israel. Paderborn u. a.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35499-das-zionistische-israel_42814, veröffentlicht am 31.01.2013. Buch-Nr.: 42814 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken