Skip to main content
Birgit Schwelling (Hrsg.)

Reconciliation, Civil Society, and the Politics of Memory. Transnational Initiatives in the 20th and 21st Century

Bielefeld: transcript Verlag 2012 (Erinnerungskulturen - Memory Cultures 2); 372 S.; 36,80 €; ISBN 978-3-8376-1931-7
Transitional Justice, ursprünglich ein Begriff aus der politikwissenschaftlichen Transformationsforschung, hat sich mittlerweile zu einem breiten Forschungs‑ und Praxisfeld mit Blick auf Prozesse von Versöhnung und Umgang mit vergangenen Unrechtsregimen entwickelt. Dies sei, so die Herausgeberin, mit der Herausbildung einer epistemischen Gemeinschaft und eines interessengeleiteten Netzwerks politischer Akteure einhergegangen. Dadurch sei der Begriff mittlerweile stark normativ aufgeladen, sodass das demzufolge sehr verengte Verständnis von Transitional Justice die zahlreichen unterschiedlichen historischen Konstellationen, unter denen Versöhnungsprozesse stattfinden und stattgefunden haben, nicht mehr ausreichend erfassen könne. Stattdessen würden komplexe gesellschaftliche Prozesse auf die Definition von „best practices“ reduziert. Die Autor_innen des Sammelbandes folgen dieser Kritik und versuchen, anhand der detaillierten Aufarbeitung (sic!) verschiedener Versöhnungsprozesse die Vielfalt von Erfahrungen und Akteuren darzustellen. Dabei wird Abstand von der Idee der „best practices“' genommen. Die Konzentration auf staatliche Akteure wird zugunsten einer zivilgesellschaftlichen Perspektive aufgegeben, genauso wie der Fokus auf eine temporäre politische Übergangsphase. Vor allem Letzteres führt zwar zu einer etwas unklaren Vermischung mit dem Feld der Gedächtnisforschung (zumal die „Politics of Memory“ explizit im Titel genannt sind), eröffnet dafür aber ein besseres Verständnis für langfristige Entwicklungen mit ihren Wendungen und Widersprüchen. Die elf Beiträge des Bandes beschäftigen sich unter anderem mit den deutschen und türkischen Versöhnungsinitiativen bezüglich des Völkermords an den Armeniern, den deutsch‑französischen und deutsch‑israelischen Annäherungen im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg sowie mit postkolonialen Prozessen der Versöhnung. In zwei Beiträgen wird die Rolle offiziell eingesetzter Kommissionen untersucht. Der Mehrwert eines zivilgesellschaftlichen Blickwinkels lässt sich beispielsweise gut am Beitrag von Ulrike Schröber ablesen, die die gemeinsamen Versöhnungsinitiativen der deutschen und französischen Kirchen nach dem Zweiten Weltkrieg behandelt. Diese Initiativen setzten direkt nach Kriegsende ein und gingen somit der „offiziellen“ politischen Versöhnung (die in der Regel im Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen steht) weit voraus. Insgesamt legt Schwelling einen gelungenen Sammelband vor, dessen Qualität allenfalls unter manchen unnötigen Wiederholungen und den teils voneinander abweichenden Versöhnungsdefinitionen der Autor_innen leidet.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.23 | 2.21 | 2.35 | 2.61 | 2.63 | 2.67 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Birgit Schwelling (Hrsg.): Reconciliation, Civil Society, and the Politics of Memory. Bielefeld: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35475-reconciliation-civil-society-and-the-politics-of-memory_42777, veröffentlicht am 13.06.2013. Buch-Nr.: 42777 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken