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Ivo Bock (Hrsg.)

Scharf überwachte Kommunikation. Zensursysteme in Ost(mittel)europa (1960er-1980er Jahre)

Berlin: Lit 2011 (Das andere Osteuropa 1); 480 S.; 49,90 €; ISBN 978-3-643-11181-4
Es handelt sich um den ersten Band einer insgesamt vier Titel umfassenden Reihe, in der die Ergebnisse des durch die Volkswagen-Stiftung geförderten Forschungsprojektes „Das andere Osteuropa. Dissens in Politik und Gesellschaft, Alternativen in der Kultur von den 1960er bis 1980er Jahren“ dokumentiert werden. Die Leitung des Projektes, das geschichts-, kultur- und politikwissenschaftliche Ansätze zusammenführt, lag bei der Forschungsstelle Osteuropa in Bremen, beteiligt waren außerdem wissenschaftliche Institute und Zentren in Prag, Poznań, Warschau, Budapest, Moskau und Bukarest. Das Ziel des Projektes ist, jene Räume in Gesellschaft und Kultur der ost(mittel)europäischen Länder zu analysieren, die von Dissidenten und Oppositionellen geschaffen wurden und der politischen Kontrolle (zumindest zeitweise) entzogen blieben. In diesem von Ivo Bock edierten Sammelband geht es um die Struktur und Funktionsweise der kommunistischen Zensursysteme in der nachstalinistischen Epoche (vor allem der 1970er- und 1980er-Jahre), die trotz konstanter Auflagen und Forderungen durch zunehmende Verweigerungshaltungen und Pluralisierungsansätze unter Druck gerieten – also durch einen (wenngleich nicht kontinuierlich verlaufenden) „Emanzipationsprozess“ (28) gekennzeichnet waren. Alle drei Artikel sind so umfangreich, dass sie als Buch im Buch betrachtet und gelesen werden können. Zur besseren Vergleichbarkeit sind sie in gleicher Weise strukturiert. Angesichts der sehr gründlichen und umfassenden Arbeit aller drei Autoren kann hier nur exemplarisch auf ein wichtiges Forschungsergebnis hingewiesen werden: Ann-Kathrin Reichardt arbeitet für die DDR heraus, dass das dortige Zensursystem gerade nicht das Verbot im Blick hatte, sondern auf viel subtilere Weise versuchte, die Gedanken (also nicht nur das Geschriebene) der Schriftsteller zu disziplinieren. Da sich viele Autoren aber ganz unterschiedlicher Taktiken und Kunstgriffe bedienten und ihre Sichtweisen in begrenztem Maße veröffentlichen konnten, gab es in der DDR keinen „ausgeprägten literarischen Underground wie in anderen ostmitteleuropäischen Staaten“ (435).
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.22 | 2.23 | 2.314 | 2.61 | 2.62 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Ivo Bock (Hrsg.): Scharf überwachte Kommunikation. Berlin: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35416-scharf-ueberwachte-kommunikation_42691, veröffentlicht am 13.12.2012. Buch-Nr.: 42691 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken