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Torsten Bendias

Die Esperanto-Jugend in der DDR. Zur Praxis und Lebenswelt sozialer Strömungen im Staatssozialismus

Berlin: Lit 2011 (Studien zur DDR-Gesellschaft 14); 340 S.; 34,90 €; ISBN 978-3-643-11291-0
Diss. FU Berlin. – „Für uns, die wir Teil dieser Prozesse waren, bot die Eo-Jugend die Erfahrung, dass Menschen nicht nur mit Anpassung reagieren können.“ (303) – Leider erfährt man so erst im letzten Absatz des Buches, dass der Autor wohl selbst Teil der Esperanto-Jugend der DDR war. So erklärt sich schließlich sein Vorhaben, deren Geschichte zu erzählen. Wie Bendias in seiner chronologischen Darstellung herausarbeitet, führte die Eo-Jugend ein besonderes „Nischendasein“ (9) – diese Einordnung wird nicht problematisiert und mit Blick auf die Literaturliste ist zudem zu vermuten, dass die Studie schon vor Längerem abgeschlossen wurde. Erzählt wird, wie die Bewegung erst in die Illegalität abgedrängt, dann aber schleichend wieder erlaubt wurde. Die DDR schlug damit im Vergleich zu den anderen Ostblockstaaten keinen Sonderweg ein. Bemerkenswert ist, dass es der Esperanto-Jugend gelang, sich außerhalb der FDJ zu organisieren und sogar einen eigenen Rundbrief herauszugeben. Man habe es vermieden, diesem den Anschein einer Zeitschrift zu geben, schreibt Bendias, und habe „nicht den unmöglichen Weg der Pressezensur“ (155) gehen müssen, da (offiziell) nur maximal 99 Exemplare einer Ausgabe hergestellt worden seien. Das erste DDR-weite Treffen dieser Jugendbewegung konnte 1988 stattfinden. Bedauerlicherweise lassen sich kaum die Mitgliederzahlen aus dem Text herausfiltern, deutlich wird nur, dass es sich um eine sehr kleine Gruppierung gehandelt haben muss – so klein, dass sie vom ansonsten (fast) allmächtigen Partei- und Staatsapparat trotz ihrer Unabhängigkeit nicht als Bedrohung angesehen und im Laufe der Jahre, abgesehen von einigen Spitzeleien des MfS, ignoriert wurde. Die Stärke der Darstellung liegt sicher in den abgedruckten Interviews mit damaligen Protagonisten. Die Bearbeitung jugendsoziologischer Aspekte – immerhin unter Berücksichtigung der Dokumente des Leipziger Zentralinstituts für Jugendforschung – sowie die grundsätzliche Betrachtung der Arbeit von Jugendverbänden bleibt dagegen eher an der Oberfläche. Die Herausarbeitung der sozialen Selbstorganisation, die das eigentliche Thema ausmacht, ist so auf der deskriptiven Ebene verhaftet. Bendias verzettelt sich abschließend in persönlichen Aussagen über den Niedergang der DDR, Cyberwelten und die Globalisierung. Ein Postskriptum über die eigenen Erfahrungen wäre interessanter gewesen.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Torsten Bendias: Die Esperanto-Jugend in der DDR. Berlin: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35388-die-esperanto-jugend-in-der-ddr_42645, veröffentlicht am 01.11.2012. Buch-Nr.: 42645 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken