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Dimitris Kazarnovskis

Der kulturelle Realismus. Eine Theorie der internationalen Politik

Berlin: Lit 2011 (Politische Theorie 18); 380 S.; 44,90 €; ISBN 978-3-643-11392-4
Diss. Düsseldorf; Begutachtung: D. Birnbacher. – Das Denkgebäude des Realismus in den Internationalen Beziehungen hat mit dem Ende des Kalten Krieges Risse bekommen. Kazarnovskis versucht sich deshalb an einer Modifizierung des strukturellen Realismus nach Kenneth Waltz. Um den Realismus wieder anschlussfähig zu machen, wertet er den Aspekt der Kultur auf. Seine These lautet, dass innerhalb der anarchischen Struktur des internationalen Systems Staaten in erster Linie mit denjenigen strategisch kooperieren, die ihnen kulturell ähnlich sind. Um dies zu beweisen, diskutiert er den Realismus nach Waltz und schält dessen „unwiderlegbaren Gehalt“ (12) heraus, um anschließend aufzuzeigen, dass kulturelle Besonderheiten einen Einfluss auf das außenpolitische Handeln der Staaten haben. Dann unternimmt er eine empirische Unterfütterung seiner These, indem er im Sinne Poppers Beispiele anführt, die die aussichtsreichsten Chancen haben, seine Feststellungen zu falsifizieren. Weil das abgewehrt werden kann, bezeichnet er den kulturellen Realismus als plausibel. Gleichwohl ist dieser mit einigen Makeln behaftet, ist doch nicht eindeutig definierbar, was Kultur überhaupt bedeutet. Zwar benennt Kazarnovskis einige Elemente wie Sprache oder Religion, aber je nachdem welcher Aspekt höher bewertet wird, kommt man auch zu unterschiedlichen potenziellen Kooperationspartnern. Je variabler folglich der Begriff Kultur wird, desto schwieriger wird die Falsifizierung des kulturellen Realismus. Die Begründung, weshalb es im internationalen System überhaupt zur Kooperation kommt, hinkt ebenfalls, jedenfalls wenn prinzipiell am strukturellen Realismus festgehalten wird. Staaten bezwecken nämlich – ähnlich wie Unternehmen auf dem Markt – keinesfalls die physische Beseitigung des Konkurrenten, da sie sich langfristig damit schaden, so der Autor. Ob Staaten oder Marktteilnehmer aber über soviel Weitblick verfügen, kann angesichts der gegenwärtigen Finanzkrise wohl doch mit Recht bezweifelt werden.
Patrick Stellbrink (PS)
M. A., Politikwissenschaftler, Promovend an der TU Chemnitz.
Rubrizierung: 4.1 Empfohlene Zitierweise: Patrick Stellbrink, Rezension zu: Dimitris Kazarnovskis: Der kulturelle Realismus. Berlin: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35380-der-kulturelle-realismus_42634, veröffentlicht am 06.09.2012. Buch-Nr.: 42634 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken