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Martin Schuldes

Retrenchment in the American Welfare State. The Reagan and Clinton Administrations in Comparative Perspective

Wien/Berlin: Lit 2011 (Studien zu Geschichte, Politik und Gesellschaft Nordamerikas 30); XXI, 675, 23 S.; 74,90 €; ISBN 978-3-643-90153-8
Diss. FU Berlin; Begutachtung: J. Alber. – Die Begriffe Wohlfahrtsstaat und Vereinigte Staaten von Amerika passen – zumindest in europäischer Wahrnehmung – nicht zusammen. Und in der Tat mutet der jenseits des Atlantiks ausgetragene Kampf um den Ausbau oder die Zurückdrängung staatlicher Sozialausgaben für Europäer bisweilen bizarr an, wenn etwa der Versuch, mehreren Millionen Amerikanern überhaupt eine Krankenversicherung zu verschaffen, von den Gegnern dieses Versuchs als Sozialismus gebrandmarkt wird. Daran gemessen wäre ganz Deutschland, ja ganz Europa sozialistisch. Dementsprechend lohnt es sich, die Arbeit von Schuldes in die Hand zu nehmen, denn er analysiert, inwieweit und aus welchen Motiven heraus es in den 80er- und 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu Einsparungen im Bereich sozial- und wohlfahrtsstaatlicher Leistungen gekommen ist – und zwar sowohl unter dem dahingehend ohnedies verdächtigen Ronald Reagan, aber auch unter Bill Clinton, der als Demokrat in solcherlei Dingen aus europäischer Perspektive eher unverdächtig erscheint. Doch nicht nur die Reaganomics der 80er-Jahre, auch Clintons Ownership-Society in den 90er-Jahren haben zu massiven Kürzungen geführt, ganz besonders im Bereich der Ausgabe von „food stamps“. Und so sehr sich die konkreten Kürzungsmaßnahmen, die Schuldes detailliert empirisch untersucht, auch unterscheiden mögen, beide, Reagan und Clinton, eint die Vorstellung eines schlanken Staates. Der Staat – so der neoliberale Konsens über beide Lager hinweg – müsse sich aus dem Leben der Bürger zurückziehen, sich selbst beschränken –, das was der Einzelne aus seinem Leben mache, müsse gefälligst ihm oder ihr selbst überlassen bleiben. Die Ergebnisse einer solchen Anti-Politik lassen sich noch heute beobachten, wirkungsmächtig etwa bei Michael Moore, der dem verkommenden US-amerikanischen Gesundheitssystem mit „Sicko“ (2007) ein vernichtendes Zeugnis ausstellte. Angesichts all der dort zu besichtigenden Unmenschlichkeit bliebe der Studie von Schuldes nur nachhaltig zu wünschen, dass sie eine ähnliche Wirkungsmacht entfalten könnte.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.64 | 2.262 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Martin Schuldes: Retrenchment in the American Welfare State. Wien/Berlin: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35377-retrenchment-in-the-american-welfare-state_42631, veröffentlicht am 01.11.2012. Buch-Nr.: 42631 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken