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Ulrich Brand / Isabella Margerita Radhuber / Almut Schilling-Vacaflor (Hrsg.)

Plurinationale Demokratie in Bolivien. Gesellschaftliche und staatliche Transformationen

Münster: Westfälisches Dampfboot 2012; 388 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-89691-893-2
Staat und Gesellschaft in Bolivien sind unter der Regierung Morales in den vergangenen sieben Jahren in einer enormen Dynamik umstrukturiert worden. Als Folge dessen haben sich die Regionalwissenschaften vermehrt dem Andenland gewidmet, sodass zahlreiche Publikationen entstanden sind. Um mit den Transformationsprozessen Schritt zu halten, legen die drei Herausgeber einen weiteren umfangreichen Sammelband vor, der jedoch ein Alleinstellungsmerkmal aufweist. Lediglich vier der siebzehn Artikel stammen aus der Feder nicht‑bolivianischer Wissenschaftler. Während vorangegangene Publikationen zu Bolivien überwiegend die Sicht europäischer Wissenschaftler repräsentierten, liegt der Schwerpunkt nun auf der Entwicklung eines adäquaten Begriffsinstrumentariums zum Verständnis der Transformation aus der Sicht einheimischer Autoren. Damit leistet das Buch einen wichtigen Beitrag zu einem stärkeren Austausch zwischen europäischen und lateinamerikanischen Theoriekonzepten. Insbesondere die Beiträge zur Schaffung einer neuen Staatlichkeit und zur Transformation des Politischen rekurrieren auf völlig unterschiedliche Theorietraditionen und geben Anregungen für ein transkulturelles politisches Denken. Begriffe wie Multikulturalismus, Föderalismus oder Nationalstaat werden kritisch auf ihre normativen Fundamente hinterfragt und vor dem Hintergrund der plurinationalen Demokratie in Bolivien „vom Süden aus“ neu gedacht. Einige Autoren zeigen, wie eine Dekolonialisierung des Denkens aussehen kann, indem sie beispielsweise unterdrückte Perspektiven der Geschichtsschreibung oder feministische Sichtweisen auf Ethnizität präsentieren. Auch wenn ein Großteil der Autoren aus dem Sympathisantenumfeld der Regierung Morales stammt, versammelt der Band neuralgische und kritische Punkte der demokratischen Neuausrichtung. Bolivienkennern, die der spanischen Sprache mächtig sind, werden einige Artikel bekannt vorkommen, da sie an anderer Stelle in Spanisch erschienen sind. Die aufwendigen Übersetzungen sind aber in jedem Fall gerechtfertigt, um den Kreis derer zu erweitern, die sich an internationalen Debatten um Transformationsprozesse in peripheren Staaten jenseits der normierten Begriffswelt beteiligen möchten.
Andreas Hetzer (AHE)
Diplom-Medienwirt, Lehrkraft für besondere Aufgaben, Fach Politikwissenschaft, Universität Siegen.
Rubrizierung: 2.65 | 2.2 | 2.23 | 5.41 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Andreas Hetzer, Rezension zu: Ulrich Brand / Isabella Margerita Radhuber / Almut Schilling-Vacaflor (Hrsg.): Plurinationale Demokratie in Bolivien. Münster: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35335-plurinationale-demokratie-in-bolivien_42559, veröffentlicht am 28.02.2013. Buch-Nr.: 42559 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken