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Christoph Bieber / Claus Leggewie (Hrsg.)

Unter Piraten. Erkundungen in einer neuen politischen Arena

Bielefeld: transcript Verlag 2012 (xtexte zu Kultur und Gesellschaft); 243 S.; 19,80 €; ISBN 978-3-8376-2071-9
Eine Ansammlung von Texten, die sich aktuell mit der Piraten-Partei befasst und in Aufsatztiteln und Inhalt ohne eine Vielzahl seemännischer Metaphern auskommt – allein dies schreit schon einmal nach einem „Gefällt mir!“! Die insgesamt 18 Beiträge sind in drei größeren Bereichen zusammengefasst, die sich mit dem Einstieg der Piraten in die Politik, der inhaltlichen Positionierung der Partei und den Auswirkungen auf die politische Umwelt befassen. Die inhaltliche Heterogenität der Beiträge in diesen Abschnitten und die Unterschiede in ihrer Qualität sind groß. Den Aufsätzen des ersten Abschnitts ist die Begeisterung der Autoren für die neue Bewegung fast ausnahmslos anzumerken. Die normative Darstellung reicht dementsprechend von affirmativ bis Fehlanzeige jeglicher Kritik. Hervorzuheben bleibt hier die spielerische Darlegung von Assoziationen und Bedeutungen der Farbe Orange durch Claudio Gallo. In der folgenden Auseinandersetzung mit den politischen Inhalten scheinen die Forderung nach Plattformneutralität und die positive Bezugnahme auf Commons die interessantesten Merkposten zu sein. „Die Plattformneutralität eignet sich – wie die ‚Solidarität’ für die Sozialdemokratie oder die ‚Nachhaltigkeit’ bei den Grünen – als politische Leitidee.“ (Michael Seemann, 96) Und zum Thema Commons: „Es geht um das Recht auf und das Prinzip der Selbstorganisation, das große Versäumnis der klassischen Ökonomie.“ (Daniel Constein/Silke Helfrich, 116) Diese Beiträge von Seemann und Constein/Helfrich lassen die Faszination des „piratischen“ Politikmodells deutlich aufleuchten und stellen somit die Höhepunkte des zweiten Teils dar. Der abschließende Teil begibt sich auf das gesicherte Terrain der umweltlichen Einschätzung und Einordnung des Piratenphänomens. Diesen Beiträgen ist uneingeschränkt eine sehr gute Qualität und analytische Klarheit zuzuschreiben, gekrönt werden sie durch eine fulminante, abschließende Intervention von Leggewie. „Heute geht die Bedrohung der freien Rede […] weniger von ‚Big Brother’, also den Wahrheitsministerien autoritärer Obrigkeitsstaaten, aus als vom Konformismus und von der Chuzpe eines kultur-industriellen Komplexes in privaten Händen. Heute […] ist das Schweigen gegenüber der Machtkonzentration fatal und eine radikale Kritik der herrschenden Mediengewalten so notwendig wie zu Beginn der bürgerlichen und industriellen Revolutionen.“ (237)
Thorsten Schumacher (THS)
M. A. (Politikwissenschaft, Philosophie, Öffentliches Recht), Referent im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur.
Rubrizierung: 2.331 | 2.22 | 2.36 | 2.332 Empfohlene Zitierweise: Thorsten Schumacher, Rezension zu: Christoph Bieber / Claus Leggewie (Hrsg.): Unter Piraten. Bielefeld: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35283-unter-piraten_42498, veröffentlicht am 30.08.2012. Buch-Nr.: 42498 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken